henrik eiben

photo by // astrid grosser, interview by // cristext by // anne simone krüger
Wann ist ein Bild ein Bild? Wie definiert sich Malerei? Kann Malerei plastisch, gar dreidimensional sein? Muss sie aus Öl- oder Acrylfarbe bestehen, oder gibt es ganz andere Möglichkeiten des Malens? Nicht von ungefähr sprechen wir immerhin bildhaft vom Malen mit Licht. In seinem Atelier auf einem beeindruckenden Industriehof in Hamburg-Billbrook lotet der Künstler Henrik Eiben die Grenzen der Malerei aus.

Er malt mit Formen, malt in den Raum hinein, malt mit dem Material und aus dem Material heraus. Die Vielfalt und unterschiedlichen Facetten seiner Arbeiten haben ihre Basis in einem Atelier, das keineswegs lediglich Pinsel und Farben, sondern, im Gegenteil, eine komplette Werkstatt bereithält. Hier wird nicht nur im klassischen Sinne gemalt, sondern auch gesägt, Acrylglas verleimt, Leder zugeschnitten, eine äußerst individuelle “visuelle Gefühlssprache” auf Basis eines erweiterten Blickes auf die Malerei generiert…

Wir fühlen uns wie im Film, als die Tür eines riesigen Lastenaufzugs sich öffnet und Henrik uns herzlich begrüßt. Mit dem Aufzug und ein bisschen New York-Loft- Feeling geht es in den ersten Stock. Früher produzierte die Firma Palmolive hier Seife und Duschgel, heute betritt man helle Räume mit beeindruckender Deckenhöhe und einer großzügigen Fensterfront. Eigentlich möchte Henrik uns etwas zu trinken holen, doch verfangen wir uns auf Anhieb so im Gespräch, dass er nicht dazu kommt die angebotenen Getränke zu holen. Während er uns bedächtig und in überraschenden Denkbildern seine Ideen darlegt formen sich, so scheint es, in seinem Kopf bereits neue Arbeiten.


In einem weiten Bogen streifen wir die Themen Leidenschaft, Henriks Küchenumbau-Pläne, die Frage nach der Definition von ‚Bild’ , die Potentiale der Kunst Fragen zu stellen und dem Leben Sinn zu geben und bekommen gleich noch eine exklusive Vorschau neuer Arbeiten. Eigentlich wären wir gerne länger geblieben, aber man soll nun einmal dann gehen, wenn es am Schönsten ist…


interview//

 

1. Liebe oder Leidensdruck — was verbindet dich mit der Kunst?

Ich sehe Kunst in erster Linie als ein Privileg. Beschreiben würde ich es mit „Seelenarbeit“, denn es ist ein gutes Vehikel, um diese Welt besser zu verstehen. Sie ist eine Art Parallelstrang zum normalen Leben. Eine artifizielle Spielwiese, auf der man sich verlieren kann, aber auch gleichzeitig die Chance hat, das Leben aus einer anderen Perspektive sehen zu können — ein wenig wie bei „Alice im Wunderland“. Da gelten andere Regeln und die Erfahrung daraus beeinflusst und prägt dann das „normale“ Leben. Kunst ist für mich „fullfilling“ und wenn diese Auseinandersetzung durch meine Arbeiten sichtbar und erlebbar für Andere wird — das ist schon verrückt. Ich denke aber auch, dass die allgemeine Bereitschaft nach dem „Sinn des Lebens“ zu fragen heute größer ist, als vielleicht noch in den Achtzigern. Denn so wie wir heute leben, läuft alles auf ein „dead-end“ hinaus… Da stellen sich zwangsläufig „Sinnfragen“.

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2. Für dich ist also Kunst die Möglichkeit, auf die Frage nach dem „Sinn des Lebens“ eine Antwort zu finden?

Ich finde es einfach ein Phänomen, dass in jeder Form der darstellenden Kunst ein direkter Draht zum Inneren hergestellt werden kann. Es passiert unmittelbar, bricht über einen hinein und hat eine Kraft vergleichbar mit „verliebt sein“. Die Kunst zeigt die Welt der Phänomene und lässt uns vielleicht ein wenig Demut vor dem Leben spüren. Kunst ist nie eine Einbahnstraße, in der es einen Anfang und ein Ende gibt. Kunst ist eine Reise — wohin sie führen mag und was sie mit einem macht, steht in den Sternen.

Ich fände es auch langweilig, wenn ich wüsste, worauf meine Arbeit hinausläuft oder etwa das Ziel zu haben „ansprechend“oder „aufklärend“ zu sein. Meine Arbeiten sind mehr ein Spiegelbild meiner Fragen an diese Welt und weniger die Antworten.

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3. Gab es eine Initialzündung in Sachen Kunst?

Ich hatte früher eine sehr romantische Idee davon, wie man Künstler wird. Dass man Kunst auch studieren kann war mir nicht bewusst. Das Bewusstsein künstlerisch zu arbeiten ist während meines Grafik Design Studiums aus mir herausgebrochen. Ich habe nächtelang gearbeitet und zwangsläufig gespürt, dass mich die Kunst und die Auseinandersetzung mit ihr in ihren Bann zieht. Meine Mutter war aber diejenige, die mich in der Sommerakademie „pentiment“an der Armgardstraße angemeldet hat. Das war für mich der absolute „Wow-Effekt“ — diese Kreativität zwischen Künstlern und Teilnehmern, so etwas hatte ich vorher noch nicht erlebt. Man konnte die Kunst dort förmlich mit der Luft einatmen.

Dass ich ab da nicht mehr davon lassen konnte, haben meine Eltern natürlich nicht ganz bedacht. Ich muss aber auch sagen, ich habe sehr viel Glück gehabt. Gefühlt kam für mich der Berg eher zum Propheten als umgekehrt. Ich bin in vieles reingerutscht und habe die für mich richtigen Menschen kennengelernt.

Nun kann und möchte ich nicht mehr anders.

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4. Die Kunst, ein Künstler zu sein — was ist das Geheimnis deines Erfolges?

Glück — gepaart mit Visionen im richtigen Zeitfenster. „It dosen’t match with the time“, das ist für viele Kunstschaffende ein Problem. Wunderbare Gedanken werden vergessen oder nicht wahrgenommen, wenn der Zeitpunkt der Inszenierung nicht stimmt. Ich habe das große Glück, einen kleinen Platz im Heute gefunden zu haben. Denn ich habe Galeristen an meiner Seite, die an das glauben, was ich mache und natürlich ihren Job gut machen. Jeder tut, was er kann 😉

Der Erfolg überrascht mich dennoch — für mich ist das alles neu und schwer zu begreifen. Ich bin aber immer noch weit davon entfernt, dass man bei meinen Werken von einem renommierten Kunstwert sprechen kann. Dafür braucht man einfach mehr „believer“ die daran glauben und das gilt es nun auszuhalten.

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5. Warum also kauft man deine Kunst— als gute Investition, oder weil das Werk aus sich selbst heraus überzeugt?

Zu meiner großen Freude sind heute schon einige Menschen davon überzeugt, dass in mir einiges an Potenzial steckt. Einige Käufer kenne ich sogar persönlich und sie schreiben mir. Es scheint für sie also mehr als nur ein „Invest“ zu sein — ich denke, es macht etwas mit ihnen. Kunst kann natürlich instrumentalisiert werden, die Kirchen sind ein Paradebeispiel dafür, aber wenn etwas eine Qualität hat, eine Besonderheit — dann entkoppelt sich das zwangsläufig irgendwann. Der Initiator wird unwichtig, weil das Phänomen im Vordergrund steht.
Beethovens 9. Sinfonie zum Beispiel – der Mann war ein Genie, aber dieses Werk spricht eine universellere Sprache, steht für sich, berührt und der Urheber rückt in den Hintergrund.

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6. Heißt das, das Gute setzt sich immer durch?


Sagen wir, ich hoffe, dass gute Intentionen sich durchsetzen.
Ich bin tendenziell eher ein Pessimist. Wenn ich über die große Frage, wie das mit der Menschheit weiter gehen soll, nachdenke — dann sehe ich doch eher Schwarz. Es gefällt
mir sogar mich eine gewisse Zeit, in solchen „Selbstmitleids-Gedanken“ zu baden, aber schlussendlich hilft das nichts. Der Pessimist verändert nichts und ich ziehe meinen Hut vor allen Optimisten, woher auch immer sie die Kraft dafür nehmen. Nur der Optimismus hat die Macht, Missstände in etwas Gutes umwandeln zu können.

Die Kunst ist meine Ausdrucksform, einen Beitrag dazu leisten zu können. Die Option, dass sich Gedanken ausbreiten können; eine Möglichkeit, positive Energie zu streuen und Fragen zu stellen … doch daran denke ich natürlich nicht permanent.

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7. Wie muss, ich mir das Vorstellen — wie beginnt ein Tag im Atelier?

Es ist erstmal ankommen. Dieser Ort inspiriert mich sehr, es ist fast so, als ob die Gegenstände mit mir sprechen. Es herrscht eine kreative Grundstimmung, wie bei einem Forscher, der in sein Labor kommt. Mein Atelier motiviert mich zu machen und es gibt selten einen inneren Schweinehund zu überwinden. Hier ist der Platz, wo Dinge wirken können und diese Energie sauge ich auf und dann gehts los.

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8. In welcher Stimmung arbeitest du denn am liebsten?

Wenn ich arbeite, bin ich„actor“ and „expectator“ in einem. Es ist eine Wechselwirkung zwischen machen und beobachten, ein “Mit-sich-sensibel-Sein”,

immer auf der Suche nach dem Neuen. Ich kann nicht permanent das Gleiche tun oder immer die gleichen Fragen stellen, meine Motivation erschöpft sich irgendwann. Deswegen brauche ich auch die stimmungsmäßige Abwechslung. Musik hilft mir oft dabei dann auf die richtige Welle zu springen. Manchmal muss ich dafür ganz weit raus schwimmen und manchmal reicht es schon die Füße im Wasser zu haben. Auch das Erledigen von profanen Arbeiten hilft, um in diesen Fluss zu kommen. Da ich mich mittlerweile gut kenne, habe ich in meinen Atelier viele kleine Motivations-Zapfsäulen aufgebaut. Irgendwann lernt man es aber auch auszuhalten, wenn die Kunst nicht mit einem spricht. Ich sehe diesen Prozess mittlerweile ganzheitlich und das, was ich mache, ist nicht nur ein Teilbereich meines Lebens — es beeinflusst mein Leben, oder mein Leben beeinflusst das? Es ist ein Ganzes, erfüllt mich immer mehr und formt eine Haltung.

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9. Welcher Künstler beeindruckt dich gerade?

Es gibt einzelne Aspekte an verschiedenen Künstlern die ich beeindruckend finde. Sei es handwerkliche Fähigkeit, sei es, wie z.b. bei Joan Michel, ihre Haltung. Mit welchem Glauben andere an ihre Profession rangehen, was sie vorangetrieben hat, auch als die Welt sich noch kaum um sie kümmerte, das finde ich super-spannend und es formt meine eigene Fragestellung. Ich merke für mich, dass ich in einer Art Koordinatensystem stecke, in dem das Eine oft das Andere bedingt. Es gilt aus zweierlei oder mehreren Richtungen einen Punkt zu finden. Mich interessiert, wenn ein Umstand Ausdruck von Kunst wird — die Komponente zwischen Leben und Kunst, das ist anscheinend ein „trigger“ der mich kickt. Ich möchte dem nachgehen, denn ich bin von dem gleichen Virus befallen.

Talent ist etwas, was in einem schlummert, zum Ausbruch kommt und das man im Idealfall für sich nutzen kann. Es ist keine Entscheidung, man muss es akzeptieren und verstehen. „In jedem steckt ein Künstler“ das Zitat von Beuys, meint nicht das jeder den Pinsel schwingen muss — vielmehr, dass jeder in sich hineinhören muss, auf der Suche nach seinem Talent.

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10. Talent für Texturen — Spielfreude — Materialjongleur — Sehschule — das sagen andere von dir. Wie würdest du dich und deine Art zu arbeiten beschreiben?

Für mich ist es wichtig, dass meine Kunstwerke auf den ersten Blick nicht zu kompliziert sind. Erst der genaue Blick auf die Details birgt in sich ein Phänomen, das man entdecken kann. Ich bringe gerne Dinge zusammen, die man normalerweise nicht zusammen bringen würde. Es ist ein Ausdruck von Polaritäten der Welt in der wir leben. Ein mittlerweile gut befreundeter Kunstsammler sagt über meine Kunst: Es geht um das Phänomen der Verbindung. So wie das Verhältnis von Mann und Frau, Harmonie und Disharmonie oder die Frage: Wie funktioniert eine Gesellschaft?

Für mich sind meine Arbeiten ein Offerieren eines Vehikels — ein Senden auf einer bestimmten Frequenz, die etwas anspricht, mit dem man sich identifizieren kann oder eben nicht.

Man kann über Kunst soviel sprechen, wie man will — es bleibt immer ein Teil, der unerklärlich ist. Es gibt Phänomene, die nicht in Worte zu fassen sind, man kann sie nur fühlen. Kunst ist für mich eine visuelle Gefühlssprache, eine andere Art und Weise zu kommunizieren, mit dem Versuch sich besser zu verstehen.

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11. Das größte Glück auf Erden ist?

Unabhängigkeit.

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12. Bei einer Scala von 1-10, Wie gehts dir heute?

8 — erschöpft aber gut

 

Danke für dein Mitmachen – und dass du uns teilhaben lässt.


Quickreport

l. süß oder salzig? salzig

2 morgens oder abends? abends

3. mehr ist mehr oder weniger ist mehr?weniger

4. lieber allein oder am liebsten mit vielen? allein

5. auto oder fahrrad? auto leider

6. sekt oder selters? sekt

7. berge oder meer? meer

8. electro oder pop? pop

9. bleistift oder kugelschreiber? bleistift

10. rom oder hongkong? hongkong

11. wahrheit oder pflicht? ich tendiere zur wahrheit 😉

 


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