Romana Burgemeister

interview // by cris, photo // astrid grosser // Bei Romana dreht sich irgendwie alles um Musik, Mode und Tiere. Sie selbst bezeichnet sich als eine „Retterin von Dingen“ und hat aus dieser Leidenschaft sogar einen Beruf gemacht. Ihr kleiner Vintage-Store auf St. Pauli ist vollgestopft mit Kostbarkeiten echter Handwerkskunst, die darauf warten, entdeckt und getragen zu werden…

1. „We love what we do“ ist das Motto des Blogs — und natürlich interessiert uns auch bei dir, was den Reiz und die Liebe ausmacht morgens die Ladentür zu öffnen?

Morgens sowieso nicht, ich öffne die Tür erst gegen 15.00 Uhr.

Natürlich gilt meine Liebe in erster Linie den Klamotten. Ich habe jedes Stück aus eigener Begeisterung heraus erworben, denn bei mir gibt es keine Kommissionsware. Was die Begeisterung betrifft, so gibt es natürlich unterschiedliche Tage. Manchmal muss ich mich wirklich motivieren, hier herzukommen, weil ich vielleicht auch bis spät in der Nacht aufgelegt habe und manchmal kommen so nette Leute, das es totalen Spaß macht. Das finde ich das Spannende an diesem Job, kein Tag ist wie der andere. Man weiß nie, was einen erwartet oder wem man begegnet. Ich arbeite gerne kreativ mit Menschen. Jemanden stylen und etwas heraussuchen das zu ihm passt oder gar sein Thema ist. Das ist das, was mich am meisten motiviert und herausfordert. Jemand, der nur ein Fluppe zieht und herumwühlt, motiviert mich da eher weniger. Mich ärgert wahnsinnig, wenn Menschen hier einfallen, alles raus reißen und sich nur über alles belustigen.

 

2. Ist das nicht das, was einen Secondhand-Laden ein Stück weit ausmacht — das herumstöbern und entdecken?

Manchmal kommen einfach Menschen, die sich allem Anschein nach nur bespaßen lassen wollen. Menschen, die keine Wertschätzung dafür haben, dass das alles Einzelstücke sind, muss ich nicht haben. Wenn man nicht selbst in der Maschine des „Secondhander“ ist, kann man sich das auch schwer vorstellen. Secondhand heißt nicht zweiter Klasse — bei Vielen geht da einfach der Respekt flöten.

Bei mir gibt es ja auch mehr als nur Kleider auf der Stange. Ich habe Modedesign studiert. Ich mache Farbberatung, mache Styling, oder ändere auch mal „for free“eine Naht. Das ist das, was ich liebe und deswegen mach ich das hier ja auch. Ich führe einen Laden mit Charakter, und das ist in Hamburg etwas, das ausstirbt. Die meiste Läden finde ich mittlerweile grotten-langweilig. Alles, was besonders war, kann sich diese unglaublichen Mieten gar nicht mehr leisten. Selbst die Schanze wird zum Konsum-Einheitsbrei.

3. Schon alleine der Geruch, der einem in so einem Laden entgegenströmt,  erinnert an die Vergänglichkeit der Dinge. Altes wird abgelegt und durch neues ersetzt. Macht das nicht traurig an einen solchen Ort zu sein?

Das finde ich gar nicht. Ich liebe schon immer alte Sachen und habe schon als Kind meiner Oma die Strickjacken abgeschwatzt. Ich gebe auch den alten Dingen eine neue Seele, denn ich arbeite einiges um. Diese alten Stoffe und Muster sind größten teils so hochwertig und unverwüstbar, so etwas findet man neu nur schwer. Ich bin zwar kurzsichtig, aber ich sehe schon von weitem, was ein gutes Material ist. Bei Klamotten und Musik bin ich sehr speziell und habe allem Anschein nach ein Händchen für das Besondere. Mich macht höchstens traurig, dass die breite Masse sich zunehmend verblöden lässt — Geiz soll geil sein oder H&M Designerware.

Früher hatten mehr Menschen einfach Stil, auch die Männer. Man hat mehr auf sein Äußeres wertgelegt, sich für spezielle Gelegenheiten auch besonders gestylt. Vielleicht werde ich nach 10 Jahren auch ein wenig kauzig, deswegen ist es auch ganz gut, dass ich zwischendrin immer mal wieder eine Auszeit nehme.

 

4. Auszeit, Reisen, Freiheit sind Dinge, die dir wichtig sind — ist das eine Leidenschaft die zwangsläufig durch das groß werden in der ehemaligen DDR geprägt wurde?

Ich bin einfach ein „eingesperrter Ossi“ und der Fluchtgedanke war bei mir schon immer sehr ausgeprägt. Meine  Eltern haben diesen Drang gar nicht. Die hängen immer noch am liebsten in ihrem Bootshäuschen rum. Mich zu besuchen ist ihnen schon zu viel. Ich finde, das geht vielen „Ossis“so. Sie haben Angst, aus dem gewohnten herauszukommen. Ich würde sagen, ich bin da eher untypisch, ich wollte schon als Kind weg.

Diese ganze Kontrolle war für mich schwer auszuhalten. Mein erstes Verhör war mit zwölf, meine Eltern waren nicht in der Partei und mein Bruder war mit einem Bein „fast“ immer im Knast. Er hat sich ständig aufgelehnt, war ein „Revolutionär“, und dass er nicht weggesperrt wurde, hatte sicher mit meinen Stasi-Onkel zu tun. Ich war 17 als die Grenze endlich geöffnet war. Als auch mein Bruder gegangen ist, habe ich mein ganzes Geld zusammengekratzt und bin abgehauen. Das ist mir sicher erstmal nicht leicht gefallen, meine Eltern zu verlassen, die ich abgöttisch liebe. Doch der Freiheitsdrang war stärker. Rostock und mein Studium für Zahntechnik zu schmeißen, fiel wesentlich leichter. Dieser Ort war voller Faschos und ich wusste auch überhaupt nichts mit dem Studium anzufangen. So bin ich mit 100 Mark, einem Rucksack und ein Hin- und Rückfahrticket nach Bremerhaven gefahren, denn alle sollten glauben, ich besuche nur eine Tante. Für mich war klar, ich bleibe. Zu meiner Tante bin ich nie.

Ich bin erstmal zu einer Omi, die ein Zimmer untervermietete, gezogen. Aber wirklich frei war ich da auch nicht. Durch ein wenig Glück und meine Hartnäckigkeit habe ich aber eine entzückende Wohnung mitten im Zentrum gefunden.

Dann habe ich erstmal eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin gemacht. Um meinen Eltern einen Gefallen zu tun, habe ich das ganze dann auch zu Ende gebracht. Dann Fachabitur und Jobs, und kurz vor meinem Abschluss habe ich mir dann in Hamburg ein Zimmer gesucht. Mein Wunsch war, Mode zu studieren. Ich habe Tag und Nacht gemalt, Collagen gemacht, habe Studenten und Professoren einfach in Cafés oder der Uni angesprochen und gefragt, was ich in meine Mappe packen soll. Ich bin einfach vom Sternzeichen doppelt Löwe — wenn ich etwas will, kämpfe ich, da hab ich dann auch wenig Berührungsängste. So habe ich die Aufnahme dann auch geschafft und konnte an der Armgartstraße Mode und später auch Kostüm studieren. Das Studium hat wirklich Spaß gemacht, aber ich hätte gerne mehr gelernt. Mode wurde zu der Zeit noch etwas stiefmütterlich angeboten.

5. Und wie kam es dann zur Musik und dem Arbeiten als DJ?

In Studienzeiten hat ein Freund von mir eine Bar aufgemacht und ich habe ab und zu mitgearbeitet. Es gab dort zwar einen DJ, aber der war wirklich katastrophal. Ich habe angefangen, meine Musik mitzubringen und mit aufgelegt. Schlussendlich haben die Gäste gesagt, ich würde viel bessere Musik auflegen und irgendwann stand ich alleine am Plattenteller. Ich wurde immer öfter auch von anderen Clubs abgeworben, bewerben musste ich mich nie. Seitdem ist immer alles so entstanden …  Seinen persönlichen Stil als DJ zu entwickeln, braucht nicht nur Leidenschaft, es ist natürlich ein Prozess und braucht Zeit, ähnlich wie mit der Mode. Ich verbinde gerne Altes mit Neuem und scheinbar kommt das gut an.

 

6. Sich gerne mit Dingen umgeben, die man wertschätzt — bist du auch sonst jemand, die gerne sammelt?

Das ist zumindest der Grund warum der Secondhand-Laden existiert. Ich nenne es „Retten von schönen Dingen“. Es steckt so viel Arbeit in einem tollen Kleid — vom Knopf über den Stoff bis zur Naht … Ich kann nicht zusehen, wenn das jemand wegschmeißt.

Eine Zeit lang habe ich auch Schallplatten gesammelt, der Dachboden ist voll davon, aber das ist vorbei. Als mein Sohn geboren wurde, habe ich alte Kinderwagen gesammelt, restauriert und weiterverkauft. Ich sehe das aber nicht als Horten von Dingen, ich verkaufe sie ja weiter. Irgendwann wird es solche Dinge einfach nicht mehr geben. Das merke ich zunehmend bei meinen Gängen über den Flohmarkt, alles wird immer schrottiger. Dass, was da angeboten wird, mag auch eine Seele haben, aber die kann ich nicht spüren.

Bei mir bleibt nur was besonders ist. Ich wähle aus nach, Schnitt und Material, oder auch speziellen Accessoires.

 

7. Zwei Jobs gleichzeitig, einen Sohn, zwei Möpse— tendaysaweek immer „on“?

Ich kann gar nicht anders. Ich war, glaube ich, schon als Kind so ein „Workaholic“. Es fällt mir schwer, nein zu sagen, aber mich belastet das eher selten. Ich denke darüber einfach nicht so viel nach. Das ist das, was die ganzen Hobby-Depressiven machen — sie zerdenken alles. Da bekommt man irgendwann nichts mehr auf die Reihe, dreht sich nur um sich selbst und verliert alle Lebensfreunde.

Ich glaube einfach an mich selbst und fahre sehr gut mit dieser Strategie. Sonst wäre ich sicher nie alleine und ohne Geld ein Vierteljahr nach Indien gereist.

 

8. Absolute Sammelleidenschaft – aber trotzdem die Freiheit genießen, jederzeit die Koffer zu packen?

Ich denke, ich kann durchaus auch mit nichts leben. Das mit dem Laden und sich darum kümmern belastet mich schon manchmal. Vom Herzen könnte ich mir auch vorstellen, im Urwald zu wohnen. Dann lebe ich halt mit einer Horde Affen oder so …

 

9. Sehen so dann deine kleine Auszeiten aus — mit Affen im Urwald?

Wenn es irgendwie geht, muss ich zweimal im Jahr raus in die Natur und ein Tier beobachten, das ich noch nie live gesehen habe. Auch, wenn das meine Familie nicht so ganz nachvollziehen kann, ich kann einfach nicht nur am Strand liegen … Für mich sind dabei Artenschutz und die Erhaltung von Lebensräumen dieser Tiere wichtig. Zum Glück gibt es Organisationen, die nachhaltigen Tourismus anbieten, solche Touren sollte man, meiner Meinung nach, nicht im Alleingang machen.

 

10. Suchst du dabei den Ort nach dem Tier oder das Tier nach dem Ort aus?

Am Liebsten natürlich den Ort nach dem Tier. Letztes Jahr waren es Seekühe in Thailand. Was mir schon ganz lang am Herzen liegt, sind Gorillas oder Lemuren, aber die Reisen zu ihren Lebensräumen sind sehr teuer. Diese Tiere zu beobachten ist ein Erlebnis, das man nie vergisst. Ich musste richtig heulen als ich bei einer Reise in freier Natur einem Orang Utan begegnet bin — Mutter mit Kind sogar. Obwohl das eher gefährlich ist, haben wir wohl beide gespürt, dass es keine Bedrohung gibt. Nicht zu viel über alles nachzudenken, ist manchmal eine Überlebensstrategie.

 

11. Wenn du jetzt kurz die Augen zu machen würdest, wärst du dann in der Zukunft oder in der Vergangenheit?

Eigentlich gar nichts — das hieße ja eben auch wieder, nachzudenken. Ich habe manchmal sogar Trance-ähnliche Zustände des Nichts-Denkens, schon als Schülerin. Ich bin wach, aber geistig total weg — nichts denken, fühlen, das nennt man wohl abschalten ;-))

 

12. Heute mal richtig faul sein — wie sieht das bei dir aus?

Sonntag ist Krimi-Tag. Ich bin ja ein paar Mal die Woche bis tief in der Nacht unterwegs und arbeite. Da brauch ich einfach einen Tag zum Herunterkommen. Kuscheln und mit den Hunden raus und dann am liebsten mit Krimis, Märchen oder Tiersendungen im Bett abhängen. Die alten Märchen sind sicher auch so ein Stück „Ossi-Nostalgie“

 

13. Wem würdest du gerne mal die Hand schütteln?

Der Dalai-Lama ist ein Mensch der mich total begeistert, und David Bowie

 

14. Was ist bei dir im Kühlschrank?

Bis auf das, was ich für das Kochen des Hundefutters brauche, fast alles nur vegetarisch.

 

15. Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie geht es dir heute?

Super — eine 10

 

…Danke für dein Mitmachen – und dass du uns teilhaben lässt

 


Quickreport //

1. süß oder salzig? süß

2. morgens oder abends? abends

3. mehr ist mehr oder weniger ist mehr? situationsbedingt

4. lieber allein oder am liebsten mit vielen? lieber alleine.

5. auto oder fahrrad? fahrrad

6. sekt oder selters? selters

7. berge oder meer? meer

8. electro oder pop? beides

9. bleistift oder kugelschreiber? beides

10. rom oder hongkong? rom

 


found // by cris

Bei Romana dreht sich irgendwie alles um Musik, Mode und Tiere. Sie selbst bezeichnet sich als eine „Retterin von Dingen“ und hat daraus sogar einen Beruf gemacht. Ihr kleiner Vintage-Store auf St. Pauli ist vollgestopft mit Kostbarkeiten aus Stoff und Leder. Schätze echter Handwerkskunst aus vergangenen Zeiten. Handverlesen und liebevoll aufgearbeitet, warten diese Dinge dort, wieder entdeckt und getragen zu werden. Das Romana das mit voller Liebe und Leidenschaft tut, sieht man ihr nicht nur an, es steht ihr auch gut. Ihr außergewöhnliches Styling passt zu ihr und es würde mir schwer fallen, sie mir in Jeans und Sneakers vorzustellen.

Ihr außergewöhnlicher Geschmack kann sich durchaus auch hören lassen, wenn sie nachts hinterm Plattenteller steht. Da gibt es so manche Überraschung: Auf alt folgt neu, auf schnell folgt langsam, aber stehts im „flow“ mit dem Publikum. Es macht einfach Spaß, ihr dabei zuzusehen und sich mit ihr treiben zu lassen — für einen Moment oder, wer kann — tendaysaweek.


booking // www.getont.de/?site=desktop#dj



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