Katrin Hesse

interview by // cris, photo by // philipp rathmer, katrin // power it-girl“ oder „punk-barbie“  —  Katrin macht sich nicht nur in Sachen Frauen stark, sie lebt, wofür sie sich einsetzt und das mit voller Leidenschaft. Ob im Job, auf der Bühne oder mit Trouvelle, ihrem Reiseblog für alleinreisende Frauen …

1. Besondere Menschen, besonderes Schaffen, besondere Orte; das ist, womit wir uns in unserem Blog auseinandersetzen. Was ist das, was dich in einen schallgedämmten Übungsraum zieht?

Einen Raum zu haben, in dem wir uns erstmal abgeschottet von der Außenwelt kreativ und musikalisch entfalten können. Eine kritikfreie Zone, in der wir unter uns Frauen mit Hilfe der Musik unseren Gefühlen und Meinungen mal freien Lauf lassen können. Diese regelmäßigen Verabredungen schätzen wir alle sehr —nur in Ausnahmefällen werden sie nicht wahrgenommen, und das seit mehr als zehn Jahren.

Gemeinsam Songs zu kreieren macht einfach glücklich und auf dieses „kleine Glück“ möchte ich heute einfach nicht mehr verzichten.

Schon komisch, rückblickend — denn als Kind wurde mir immer gesagt, ich könnte nicht singen. Ich wurde wegen meiner Stimme oft gehänselt – „Joe Cocker, die Röhre“ — und nun singe ich und mache seit dreizehn Jahren Musik.

2. Also woher kam dann das Selbstbewusstsein, die Stimme zu nutzen und Musik zu machen?

Ich habe schon immer vor mich hingeträllert, aber von Stimmbildung hatte ich noch keine Ahnung. Mein Versuch, in den „Spatzenchor“ der Schule zu kommen, blieb erfolglos. Ich wusste einfach nicht, wie ich meine komische Stimme einsetzen soll. Durch eine Sprachtherapie habe ich einen ganz anderen Zugang zu meiner Stimme bekommen. Ich musste lernen, mit weniger Druck zu sprechen, weil ich auf den Stimmbändern Knötchen und Wassereinlagerungen habe. Das macht den rauchigen Sound in der Stimme, was zu einem Erwachsenen eben mehr passt als zu einem jungen Mädchen.

Ich habe immer schon zwischen extro- und introvertiert geschwankt. Je nachdem, wie es mir geht, und eigentlich hat mich ein Bekannter in der Schule dann darauf gebracht, zu singen und Musik zu machen. Er hat mir auch die ersten Griffe auf der Gitarre beigebracht. Meine ersten, wenn auch unpassenden, Band-Kontakte waren aber erst während meines Studiums in Marburg. Als junges Mädchen auf dem Land gleichgesinnte Girls zu finden, ist eben doch nicht so einfach.

Richtig ging es mit der eigenen „Lady Band“ erst in Hamburg los. Hier traf ich auf Frauen, die den Gedanken genauso reizvoll fanden wie ich. 2003 entdeckte ich beim „Ladyfest-Hamburg“, bei dem ich als DJ aufgelegt habe, einen Wettbewerbs-Flyer für die Vergabe eines Übungsraums für 3 Monate. Ich studierte zu der Zeit Soziologie und mein Thema war Genderproblematik. Somit war es nicht so schwer, ein anständiges Konzept, beziehungsweise ein „feministisches Statement“, auszuarbeiten und einzureichen. Ich bekam den Zuschlag, rekrutierte die Mädels, die ich kannte, und schlussendlich waren Vera und ich die zwei, die ernsthaft angefangen haben. Dann kamen irgendwann Ingrid und Phyllis dazu und zu Anfang haben wir mehr oder weniger dilettantisch musikalisch miteinander experimentiert. Schon lustig, wenn man sich die ersten Aufnahmen heute anhört — aber wir sind zusammen immer besser und reifer geworden. Selbst die anfangs recht schüchterne Jeannine ist heute sehr froh, dass ich sie so hartnäckig umgarnt habe. 

3. Die Musikbranche hat sich stark verändert. Die „Sex, Drugs & Rock ’n Roll“-Zeiten sind vorbei. Es ist ein Geschäft und nur noch selten der künstlerische Ausdruck einer Lebensphilosophie. Wie ist das bei dir/euch?

Dadurch, dass wir uns bewusst entschieden haben, unsere Berufe nicht für die Musik aufzugeben, ist das Ganze entspannt geworden. Wir geben zwar mehr aus als wir einnehmen, aber in etwas zu investieren, das einem Spaß macht gehört einfach dazu. Ich denke, deswegen gibt es uns auch schon so lange —  aus einer Leidenschaft ein Business zu machen hat uns allen einfach widerstrebt. Wir sind nicht bereit zu dem „großen Investment“. Schon bei der Produktion unsere CD haben wir gemerkt, wie schwierig es ist, geschäftlich auf einer Welle zu bleiben.

4. Ihr bezeichnet euch als „Punk Barbies“ — ihr macht euch stark gegen Gentrifizierung, Rassismus und natürlich für die Gleichberechtigung der Frauen. In euch steckt also noch der alte Punk-Geist?

Punk Barbies“ ist einfach die ironische Bezeichnung für die musikalische Zwischenwelt in der wir uns bewegen. „not enough testosterone“ — denn Frauenstimmen und Punk gehört für viele immer noch nicht zusammen. Wir haben diese Voreingenommenheit für uns einfach umgedreht.

Chancengleichheit ist uns aber in vieler Hinsicht wichtig, und mir ist persönlich auch ziemlich egal, aus welcher Ecke das kommt. „Wir kämpfen immer für Menschenrechte“.

5. „Testosteron-Dominanz“ in der Hamburger Musikbranche war eine Formulierung von dir, die mir in einem anderen Interview auffiel. Ist das nur in Hamburg so?

Nein, das ist, wie gesagt, immer noch ein generelles Problem und nicht nur das der Musikbranche. Wenn Männer ihr „Gentlemen’s Agreement“ eingehen, stehen Frauen einfach immer an zweiter Stelle. Dieser geschlossene Kreis lässt sich auch schwer aufbrechen, denn das sind Strukturen, die gelernt sind. Da muss man eben nachhelfen, mit der Frauen-Quote oder Frauenorganisationen, weil sich daran von alleine nichts ändern wird. Es ist ja auch zutiefst menschlich, sich unter Gleichen zu verbünden und einander zu bevorzugen. Ohne Hilfe kommen wir Frauen da nicht rein, die Qualität der geschlechtsunabhängigen Einzelleistung zählt meistens nicht.

Auf die Band bezogen hat das „Randgruppen-Ding“ manchmal auch Vorteile. Man fällt als „Frauen-Band“ mancherorts einfach mehr auf. So wie ich, recherchieren auch andere explizit nach „Frauen-Bands“ und es baut sich allmählich auch hier ein Netzwerk auf. Wobei mir manche Frauennetzwerk-Geschichten einfach oft zu dogmatisch und hart sind.

6. „Harte Tür — wir Frauen wollen unter uns bleiben“ ist also nicht so wichtig? Schließlich habt ihr seit Kurzem ja auch einen „Quotenmann“.

😉 Wir hatten schon öfter mal einen Gastgitarristen. Da wir gerade die Gitarre neu besetzen mussten, hat es sich so ergeben. Malte kommt gut mit unserem „Mädchending“ klar und wir mit ihm. Das ist für ihn quasi eine Lehrstunde über Frauen 😉

7. „Clara Bow-Nachwuchsförderung“ — Ihr bietet jungen Mädchen die Möglichkeit, mal ein wenig Band-Luft zu schnuppern und bei Band-Proben mit dabei zu sein. Wie seid ihr auf diese schöne Idee gekommen?

Wie das Meiste bei uns, eher spontan, durch irgendwelche Kinder von Freunden oder Bekannten, die mitgebracht wurden. Es ist immer wieder lustig, wenn die Mädels sich hier mal ausprobieren. Manch eine entdeckt hier sogar ein wenig ihre Leidenschaft für die Bühne.

8. Was wolltest du als junges Mädchen werden?

Ich wollte einerseits zwar Modedesignerin oder Architektin werden, aber mir war es schon früh wichtig, dass mein Beruf mich auch ernähren kann. Das brachte das Aufwachsen in einer ärmeren und ländlichen Gegend wohl so mit sich. Ich wollte unbedingt studieren, aber auf BWL hatte ich keine Lust. Von daher ist es ein Mittelding geworden: Soziologie und Medienwissenschaft. Um nicht auch, wie so viele, als Taxifahrer zu enden.

9. Clara Bow – was hat es mit dem Namen auf sich?

Bands, die ich gut fand, haben sich oft nach Protagonisten aus Filmen benannt und das fand ich charmant. Clara Bow ist als Hauptdarstellerin mit dem Film „It“ berühmt geworden und prägte damit den Begriff des „It-girl“. Was damals für: „Die Frau mit dem gewissen Etwas“ stand ☺. Die Frau mit dem direkten Blick, frech, burschikos… und das schon in den 20er Jahren. Mich hat ihre Geschichte begeistert und als ich den Namen den Mädels vorgeschlagen habe, fanden ihn alle super.

10. Mit deinem neuen Projekt „Trouvelle“ gründest du ein Reiseportal/Blog für Frauen die gerne alleine reisen wollen. Wie oder was kann man sich darunter vorstellen?

Das Ganze geht in Richtung Community. Das Ziel ist langfristig natürlich, dass man über „Trouvelle“ auch irgendwann buchen kann, aber in der ersten Phase starten wir zunächst als Blog, um so Unterkünfte und Reiseziele zu sammeln.

Mir geht es dabei in erster Linie um das „Community Feeling“ – Das es Unterkünfte gibt, wo sich Menschen begegnen können und die Offenheit herrscht, andere kennenzulernen. Ich persönlich finde alleine reisen super. Es hat oft etwas Reinigendes, man konzentriert sich auf sich, ohne dieses morgendliche Abstimmen, wer, wo, was….

Manchmal muss man sich einfach mit sich selber verabreden, auch mal egoistisch sein dürfen, um sich nicht selbst zu verlieren. Das ist der Vorteil am alleine Reisen — der Nachteil ist das Abendessen. Jeden Abend alleine am Tisch zu sitzen, dabei fühlt sich selten jemand wohl, das ist und bleibt doch schließlich der gesellige Teil des Tages. Deswegen müssen die Unterkünfte alle einen „Community Table“ oder eine „Community Activity“-Komponente mitbringen. Also gemeinsam Essen, Kochen, Sport machen, einen Sprach- oder Tanzkurz, Coaching oder Gitarre bauen… Es gibt viele tolle Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten und Begegnungen. Man sollte in jedem Fall eine gewisse Offenheit mitbringen, um mit „Trouvelle“ unterwegs zu sein. Im Urlaub ist es einfach auch spannend, seinen Horizont nicht nur durch den Ort, sondern auch durch Begegnungen mit Menschen, denen man im Alltag vielleicht nicht begegnet wären, zu erweitern.

Mein Ziel ist es, Frauen zu inspirieren. „Women Empowerment“ — eine besondere Ausbaustufe wäre sicher die Gruppe „alleinerziehende Mutter“. Alleine Reisen bedeutet, aus der Komfortzone herauszutreten und etwas nur für sich zu machen. Gerade, weil viele Frauen das nicht gewohnt sind, ist es wichtig fürs Selbstbewusstsein.

Ich merke das auch an mir: Ich brauche eigentlich immer Leute um mich herum. Früher konnte ich mir nicht vorstellen, alleine unterwegs zu sein. Mein erstes Mal war auch nicht so toll, ein All-inclusive-Hotel in der Türkei. Ich kam mir unter diesen ganzen miteinander Reisenden vor wie ein Alien und ich habe mich überhaupt nicht wohlgefühlt. Pool und Sonne alleine reicht nicht zum Entspannen. Mein Durchbruch war dann eine Ayurveda-Kur. Das war unglaublich entspannend und für mich eine Kur in und mit mir selbst.


11. Du machst gerne dein Ding, reist alleine, machst Musik — also unbedingt unabhängig? Oder sitzt in dir auch der kleine Wunsch nach Eigenheim, Schaukel im Garten und Auto in der Garage?

Sozialbindungen sind mir sehr wichtig und gerade aktuell habe ich große Sehnsucht nach Haus mit Garten. Deswegen miete ich mir auch eine kleine Ferienwohnung in der Nähe von Schleswig an. Aber fest dort zu Leben finde ich nicht wirklich verlockend. Es sei denn, mein Freundeskreis würde mitziehen, was eher unwahrscheinlich ist. Ich brauche einfach meine Freunde um mich, um mich richtig wohlzufühlen, und die sind nun mal in der Stadt.

12. Was ist bei dir im Kühlschrank?

Frag lieber nach dem Tiefkühlfach, ich liebe Pommes und die müssen einfach immer da sein ;-).  Ich habe mir sogar einen Airfryer angeschafft, so dass ich meinen Gelüsten mit weniger schlechtem Gewissen nachgeben kann. Ich koche zwar gerne, aber ich gehe auch liebend gerne Essen, von daher ist meist nicht so viel im Kühlschrank — Edamame als Snack und tiefgekühltes Obst für Smoothies.

13. Was heißt für dich tendaysaweek?

Naja, dass man eben drei Tage mehr braucht in der Woche um das alles zu schaffen was man sich vornimmt. Ich könnte jedenfalls gut drei Tage mehr gebrauchen 😉

14. Auf einer Skala von 1-10: Wie geht es Dir heute?

Nach anfänglichen Erschöpfungserscheinungen bin ich jetzt gut gelaunt und bei einer 8.

15. Dein Lieblingssong?

immer wieder // Bikini kill Rebel Girl

Danke für dein Mitmachen – und dass du uns teilhaben lässt.


danke an // clara bow  www.clarabow.de


quickreport//

1.süß oder salzig? salzig

2. morgens oder abends? abends

3. mehr ist mehr oder weniger ist mehr? kommt drauf an.

4. lieber allein oder am liebsten mit vielen? die mischung.

5. auto oder fahrrad? fahrrad

6. sekt oder selters? sekt

7. berge oder meer? meer

8. electro oder pop? pop

9. bleistift oder kugelschreiber? fineliner

10. rom oder hongkong? hongkong war ich noch nicht.
 


katrin// macht sich nicht nur in Sachen Frauen stark, sie lebt auch, wofür sie sich einsetzt – und das mit voller Leidenschaft. Gelernte Bilder und Klischees muss man wirklich an den Nagel hängen! Man kann es kaum glauben, was für eine Powerfrau da unter der schönen blonden Mähne steckt.

Ob im Liedtext, bei Präsentationen oder auf der Bühne —  sie nimmt im wahrsten Sinne des Wortes kein Blatt vor den Mund. Selbstbewusst und wortgewandt trägt sie mit ihrer„rauhen Röhre“ vor, was sie zu sagen hat. Zum Glück braucht sie dafür keine militante Superwahnsinnshow, kurzgeschorenes Haar oder Springerstifel. Katrin wirkt bei dem, was sie tut einfach klar, stolz und lebensfroh.

Ich finde, sie hat in sich die wunderbare, interessante Mischung von Verstand und Freigeist, Kunst und Geschäft, Punk und Glitter verschmolzen, als „modern power-it-girl“ — tendaysaweek.



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.