Esther’s World

Zehn Fragen an Frau Haase // Modefotografin Esther Haase im Interview zu ihrem neuen Bildband „Esther’s World“, erschienen im Hatje Cantz VerlagEsther — ein wirbelnder Stern am deutschen Modefotografie-Himmel, resümiert über 25 Jahre fotografischer Arbeit … 

 

Einige (denn ich denke es gibt viele) ihrer Lieblingsmotive finden nun einen gebührenden Platz in ihrem neuen Fotobildband. „Ihre Bilder sind zeitlos und funktionieren außerhalb ihres  entstehungskontextes. Das ist es für mich, was ein gutes Bild ausmacht“, schreibt F. C. Gundlach im Vorwort zu „Esther’s World“  und damit mag er sicher recht haben.

Dieses Buch ist, wie ein kleines Tänzchen zwischen Sinn & Sinnlichkeit — eine Hommage an die Ausgelassenheit und das Schöne im Leben… und von solchen Bildern und Momenten kann man nie genug haben …


name // esther haase
beruf // fotografin
wohnort // hamburg, london
motto // alles jetzt, nichts später


interview // by cris

cris // Wie bist du zur Fotografie gekommen? Wann hast du erkannt, dass du ein künstlerisches Talent hast?

esther // Ich bin in einem sehr kreativen Elternhaus groß geworden. Zeichnen, Kunst, Ausstellungen, Galerien waren immer ein wichtiger Bestandteil in unserer Familie — es erschien mir und meinen Schwestern einfach total natürlich, mit Kunst groß zu werden. Helmut Newton, Bruce Weber, Horst P. Horst, Hockney, Giacometti und Matisse… . Ihre Bücher füllten nicht nur die Bücherregale meiner Eltern, sie arbeiteten auch mit einigen von ihnen zusammen. Schon lustig — heute hängt ihr ganzes Haus voll mit unseren Bildern, die beiden unterstützen und fördern uns sehr.

Meine Leidenschaft für die Fotografie entdeckte ich bei einer Foto-Studienreise mit Studenten meines Vaters, der Professor für Fotografie an der HfK Bremen war. Ich tanzte damals noch am Goethe Theater in Bremen und man hatte mich gebeten, als Model mitzufahren. Ich ergriff die Chance und organisierte das Old Beach Hotel in Monte Carlo, Helmut Newtons damalige Lieblingslocation und war schlussendlich fast mehr hinter als vor der Kamera. Ich denke, mich haben damals die Bilder von Helmut Newton einfach dazu inspiriert, auch mal selbst die Kamera in die Hand zu nehmen. Alles was ich gut konnte —  das Arbeiten mit Menschen, Bewegung, Inszenierung von Licht und Stimmung – kommt in der Fotografie zusammen und das mag wohl der Grund sein, warum es mir wahnsinnig leicht von der Hand ging. Auch der technische Aspekt an der Fotografie hat mir großen Spaß gemacht, mit Zeiten und Blenden herumzuspielen, Stative aufzubauen, dass man auch körperlich etwas „rocken“ muss hat mir gut gefallen.

Fotografie ist dem Tanz oder der Schauspielerei sehr ähnlich. Es geht nicht nur darum, etwas technisch perfekt zu können, sondern vielmehr etwas auszudrücken was einem am Herzen liegt. Erst dadurch macht man „seins“ daraus und es wird zu etwas Einzigartigem. Ich brauche und kreiere um ein Bild herum immer eine richtige Geschichte. Es gibt sicher Fotografen die technischer an ein Foto rangehen. Ich bin allerdings jemand, der sich richtiggehend in das Bild „reinleben“ muss. Ich liebe diese Art Rausch, wenn die Fantasie mit einem durchgeht. Erst wenn ich etwas gefühlsmäßig erfasst habe, kann ich es interpretieren — erst dann ergibt es einen Sinn für mich.

Ich habe mich durch die Fotografie einfach selbst entdeckt. Die Freiheit und die Selbstständigkeit zu haben, Bilder im Kopf sichtbar werden zu lassen finde ich heute auch noch total aufregend.

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cris // Aufwendige, glamouröse Inszenierungen, die dennoch wie spontane Schnappschüsse wirken. Wie schafft man es, bei aller Disziplin und Vorarbeit, eine „intime“ Atmosphäre zu schaffen?

esther // Je perfekter geplant, desto mehr stimmungsvoller Freiraum für die Geschichte. Die Auswahl der Models ist dabei extrem wichtig. Irgendwann erkennt man auch ganz genau, ob ein Model extrovertiert und fantasievoll ist, die Leichtigkeit mitbringt, einen Ausdruck hat und sich in Gestik und Mimik frei bewegen kann.

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cris // Einen Moment für die Ewigkeit festhalten — Was ist die Hauptbotschaft, die du durch deine Kunst vermitteln willst?

esther // Auch, wenn es vielleicht ein wenig zu profan klingen mag: Es geht mir meist um das Schöne im Leben. Ich möchte in meinen Bildern Momente festhalten, bei denen man gerne dabei sein möchte.

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cris // Modern Fairytales — Bilder wie Prosatexte, die von wundersamen Begebenheiten erzählen. Ist das „Esther‘s World“?

esther // Moderne Märchen, ja das gefällt mir, aber es gibt viele Aspekte. Ich fotografiere sicher nicht das reale Leben, sondern vielmehr eine Idee vom Leben. Ich mag das surreale und lass mich gerne durch die Kunst inspirieren. „Die schlafende Zigeunerin“ von Rousseau beispielsweise. Seine Bilder haben mich schon als Kind bei unseren unzähligen Museumsbesuchen besonders beflügelt. Fabeltiere spielen in meinen Bildern immer wieder eine Rolle — wie auch bei dem Motiv auf meinem Buchcover. Dieses Bild war ein Editorial für den Stern zum Thema „Glam Rock“.

Mein erster Gedanken dazu war: Die pubertierende Tochter von Mick Jagger geht frech und selbstverständlich mit ihren Haustierlöwen auf dem Ocean Drive spazieren. Denn der Löwe ist nun mal in der Mode oder der Musik schon immer der Rockstar unter den Tieren gewesen. Schlussendlich wurde es Lola in einem Outfit von Alexander McQueen, die glamourös und wirklich cool mit ihrem wilden „Rockstar“ spazieren ging.

In manchen Bildern steckt eher Poesie. Ein kleines Mädchen, fröhlich und leicht springend in die große Weite des Himmels. Manchmal ist es die Lust mit Farben und Formen zu spielen und manchmal ist es eher humorvoll oder einfach sexy. Ich mag selbstbewusste Frauen, da ist es auch egal, ob dick oder dünn, jung oder alt. Ich liebe Exzentrik. Menschen die ihre eigene Fantasie ausleben fand ich schon immer reizvoll und das ist auch in meinen Bildern wiederzufinden.

Ich denke man könnte sagen: „Esther‘s World“ ist vielleicht ein wenig wie bei Alice im Wunderland — hinter jedem Bild verbirgt sich eine andere Welt.

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cris // Warum ist das Buch so wichtig für dich?

esther // Ich möchte einfach, dass diese Arbeiten nicht im Schrank verschwinden, sondern gesehen werden. Ich freue mich, dass es so ein positives Feedback gibt und es erfüllt mich wirklich mit Stolz. Das ist wie ein kleines Denkmal.

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cris // Fünf Begriffe, die du mit deiner Arbeit verbindest?

esther // Emotionen, Humor, Inszenierung, Farben, Bewegung.

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cris // „Alles jetzt, nichts später“, so hast du selbst mal deine Arbeitsmoral beschrieben. Was meinst du damit?

esther // Na ja, das Zitat bezog sich in erster Linie auf die Art zu arbeiten. Mir ist es wichtig, dass man das perfekte Bild am Set kreiert und nicht hinterher in der Bildbearbeitung. Natürlich mache ich Retusche, aber es gibt nur ganz selten composings. Ich liebe es, mir Requisiten auszudenken und bauen zu lassen. Meine Bilder spiegeln die Stimmung, das Licht und den Aufbau wider, als ich den Auslöser gedrückt habe. Ich mache mein Bild  lieber in der Kamera und nicht in der post.

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cris // Den schönen Kopf voller schöner Geschichten und immer in Bewegung. Wie kommst du da nur mal zur Ruhe?

esther // Schwer — Ruhe ist nicht so mein Ding. Irgendwas ist immer. Wenn ich zur Ruhe komme, kann ich tatsächlich, zum Amüsement meines Freundes und Familienkreises, innerhalb von Sekunden einschlafen.

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cris // Was wäre eine Herausforderung für dich?

esther // Tatsächlich ist jedes Shooting eine Herausforderung für mich. Ich wünschte, es wäre mal anders, aber ich habe eben immer Lampenfieber vor einem Shooting sowie ein Schauspieler bevor er auf die Bühne geht. Das ist wohl meine Art mich selbst zu motivieren. Es bleibt auf jeden Fall immer spannend.

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cris // Ein guter Gedanke zum Schluss …

esther // „Follow the pink rabbit“.


Esther Haase
Esther’s World

Hrsg. Nadine Barth, Vorwort von F. C. Gundlach, Gestaltung von Julia Wagner
Deutsch, Englisch
2017. 176 Seiten, 100 Abb.
gebunden
25,00 x 34,00 cm

ISBN 978-3-7757-4354-9

www.hatjecantz.de



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