Betty Kupsa

interview by cris // „Man muss Menschen mögen“, wenn man eine Bar betreibt – und das tut sie, wenn sie mit ihren roten Lippen, stolz und freudig nachts von Tisch zu Tisch geht, um ihre Gäste zu begrüssen.

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1. „ We love what we do“ ist die Überschrift unseres Blogs – und wir sprechen Menschen an, bei denen wir das von außen betrachtet so sehen. Erzähl uns, was den Reiz und die Liebe ausmacht, die dich jeden Morgen zur Arbeit trägt.

Ja, also richtig zur Arbeit gehe ich ja Gott sei Dank nicht morgens, sondern abends — ich bin nämlich „ein Mädchen der Nacht“. „Bar“ hat noch immer ein bisschen was Verruchtes und du triffst dort die abstrusesten Gestalten. Leute die gerne trinken sind einfach eine ganz besondere Spezies.

Meine schönsten Momente hab ich immer, wenn ich in der Bar stehe und sehe, es ergeben sich Gespräche zwischen Menschen, die sich eigentlich nicht kennen. Dadurch entsteht eine ganz spezielle Atmosphäre, die nur nachts in einer Bar entstehen kann, nirgendwo anders, das liebe ich einfach. Dafür schlafe ich im Moment auch gerne wenig. Die ganze Orga mache ich am Tag und seit der Eröffnung war ich nur an einem Abend nicht da— es hat mir richtig gefehlt.

Drinks machen ist nochmal was ganz anderes, das ist eine Art von Kreativität, die ich da ausleben kann — Geschmäcker zu kombinieren, unterschiedliche Aromen, das ist spannend. Aber wenn ich mir eins von beiden aussuchen müsste, dann sind es schon die Leute und ihre Geschichten und wie man Menschen zusammenbringt, durch so eine Bar.

Ja ich glaube das mag ich am meisten — „die Geschichten der Nacht!“

 

2. Wie oder was hat dich inspiriert, Barkeeperin zu werden, wie kam es dazu?

Das war tatsächlich ein bisschen Zufall. Ich komme ja aus Österreich … relativ spießig, alles. Meine Mutter ist Schneiderin und mein Vater Gerichtsvollzieher, meine beiden Geschwister haben brav einen Beruf gelernt — ich wusste nicht, wie mein Leben aussehen sollte, aber mir war klar, ein Leben wie das meiner Eltern gefällt mir nicht so gut. Ich wollte tatsächlich zu Anfang in den Make-up Bereich, aber meine Mutter hat mich mehr oder weniger gezwungen meine Schule zu machen, zumindest die Matura! Heute bin ich relativ dankbar, dass ich das gemacht hab, weil es mir mehr Möglichkeiten gegeben hat, mich zu entwickeln. Dann hat es mich nach Hamburg verschlagen — immer noch ohne Lebensplan.

Dort habe ich erst BWL studiert, dann umgeschwenkt auf Italienisch und Biologie, danach vier Semester Jura, — bis ich gemerkt habe, eine akademische Laufbahn ist einfach nichts für mich. Mir gefällt der Apparat Universität nicht. Das ist für mich viel zu offen, ich kann mich nicht disziplinieren für Dinge, die ich nicht mit Leidenschaft mache.

Dann hat sich das meiste einfach ergeben, ganz viel Krimskrams, ich habe viel gejobbt. Durch einen Kurs an der hanseatischen Akademie für Marketing und Medien bin ich mit NLP in Berührung gekommen. Das hat mich sehr inspiriert und ich habe dadurch ein paar sehr interessante Dinge über mich selbst erfahren. NLP war das spannendste an dem Job. Obwohl ich selbständig war und eine kleine Kommunikations-Agentur gegründet habe,  „Komotio“ (Kommunikation bewegt) – hat mir die Arbeit keinen Spaß gemacht. Ich war mittlerweile Anfang 30 und nachdem ich wieder mal eine unmotivierte Stunde hinter mich gebracht habe, habe ich mir selbst gesagt „nee, das bockt mich nicht an“. Das macht mir irgendwie alles keine Freude mehr.

Dann habe ich tatsächlich alles abgebrochen und mir drei Monate Zeit genommen, um zu überlegen, was ich jetzt eigentlich machen will. Das Einzige, was blieb, war die Arbeit in der Gastro. Lustigerweise kam dann die Idee, ins Consulting für Gastronomie zu gehen, weil ich gemerkt habe, Gastronomie ist das Thema, das mich am meisten interessiert. Das war einfach die einzige Konstante in meinem Leben.

Bei meiner Suche danach, wie ich das, was ich KANN mit dem, was ich WILL verbinden kann, bin ich auf einen Barkurs in der Barschule in Rostock gestoßen. Es kam, wie immer in meinem Leben, eins zum anderen. Ich mag Weiterbildungen, mir ist wichtig, dass im Kopf immer alles in Bewegung bleibt und somit entschied ich mich, dort meinen Meister zu machen. Da ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur Gastro- und zu wenig Cocktailerfahrung hatte, machte ich ein Praktikum im „Blaues Barhaus“. Dadurch hat sich ziemlich schnell herauskristallisiert, dass mir die Arbeit am Shaker und hinter der Bar richtig große Freude bereitet. Schlussendlich habe ich den Barkeeper-Kurs als Beste meines Jahrgangs abgeschlossen (Betty freut sich;-))

Darauf folgte „3 Freunde Bar“ wo ich viel kreativ arbeiten konnte, weil mein Boss gesagt hat: „Leb dich aus“. Es gab nur leider keinen richtigen Sparing-Partner für mich, niemand der mich forderte oder inspirierte — als das Angebot vom „Le Lion“, kam habe ich sofort zugesagt.

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3. Frage: Das „Le Lion“ war also dein Sprungbrett?

Absolut! Eine fantastische Bar, mit Mario Kappes, einem extrem ambitionierten Barchef, der mir alles über klassische Getränke beigebracht hat. Er hat mir genau erklärt, wie ein Drink funktioniert und mir auch viele andere Dinge beigebracht, die heute für mich eine Bar ausmachen. Gerade dieses „Gastgebertum“: dass der „Drink“ eigentlich nur das Beiwerk ist; Dass es um andere Dinge geht, das, was ich Eingangs schon gesagt habe: den Kontakt zum Menschen. Das ist für mich das A und O. Der beste Drink nützt nichts, wenn der Barkeeper nicht bei der Sache ist – und ich meine nicht den Drink, sondern den Gast. Ich habe dort viel gelernt, aber am Ende des Tages konnte ich zu wenig selbst entscheiden und somit habe ich angefangen, mich mit dem Traum der eigenen Bar auseinander zu setzen und langsam ist dann ein Bild entstanden.

Das Bild ist Wirklichkeit geworden – wenn du in meine Bar gehst, kannst du in meinen Kopf gucken.

 

4. Hast du genau gewusst, wie „The Chug-Club“ auszusehen hat oder ist da, wie schon so oft in deinem Leben, eins zum anderen gekommen?

Die Idee zum Namen und zum Konzept ist schon etwas älter. Im Mai 2014 kam mir diese Idee „kleine Drinks“ zu machen und sie „Chugs“ zu nennen und die Bar dazu „The Chug-Club“. Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, mit spätestens 40 dieses Projekt umzusetzen, aber irgendwann habe ich mich gefragt „worauf eigentlich warten?“.

Ich bin ein Freund von Entscheidungen – und habe tatsächlich sofort gekündigt. (selbstbewusstes Lächeln). Meine Grundidee, wie ich mir eine Bar vorstelle, habe ich schon relativ genau so umgesetzt. Ich mag Gold, dunkles Holz und ich liebe besonders diesen grünen Samt. Den ganzen Umbau habe ich mit meinen eigenen Händen gemacht, mit Hilfe meiner Freunde. Ich bin ganz stolz.

Hier steckt all meine Liebe drin, jedes einzelne Stück habe ich selbst ausgesucht. Es gab niemanden, der mich beraten hat oder konnte. Es ist schön zu sehen, dass das bemerkt und gewürdigt wird und dass etwas entsteht, was einem wichtig ist.

 

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5. Du trägst sogar das Logo deiner Bar als Tattoo auf der Hand – wie ein Seefahrer der seine grosse Liebe auf der Haut trägt?

Ich habe es selbst entworfen – und ja, momentan ist das meine Liebe. Es ist der Ort, an dem ich all meine Zeit verbringe, wo alles drin steckt, was ich besitze und damit meine ich nicht nur monetär.

 

6. Du hast jetzt seit einigen Wochen geöffnet – ist es so geworden wie du es dir vorgestellt hast? Wie ist die Resonanz? 

Die Resonanz ist formidabel – es übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Ich habe mir natürlich in den letzten fünf Jahren einen Namen in der Bar-Szene gemacht und dafür auch hart gearbeitet, aber dass das jetzt so gut angenommen wird, und auch von Gästen, die nicht aus der Szene kommen, ist großartig. Das ist wichtig— wir sind ja auf St. Pauli, zudem eine spezielle Ecke, da trifft Neues auf Altes. Und zum Glück nicht so aggressiv wie auf der anderen Seite der Reeperbahn. Es ist ruhiger, ein bisschen langsamer und offen, eben dem Hafen näher. Dadurch ist das Publikum gemischt, das ist sehr spannend.

 

7. Wie wichtig sind für dich die Meinungen von Freunden- bist du ein Mensch, der genau weiß was er will, oder beeinflussen dich Meinungen anderer?

Oh, ich glaube ich weiß genau was ich will. Gerade bei dieser Bargeschichte habe ich sehr wenig von außen eingefordert. Deshalb ist es jetzt noch schöner, wenn da positive Resonanz kommt.

 

8. Du hast ein außergewöhnliches Barkonzept, bei dir kann man z.B. Menüs trinken – wie muss ich mir das vorstellen? Und wie bist du darauf gekommen?

Hier gibt es „Chugs“,  ich glaube es hat noch niemand einen kleinen Cocktail vorher so genannt.  Die Idee kam, weil ich mich auf Tequila spezialisieren wollte und Tequila total liebe, aber in Europa ist das immer noch ein schwieriges Produkt. Im „Le Lion“ wo es sehr kräftige, potente Drinks gibt, ist mir aufgefallen, dass bei den meisten nach zwei Cocktails „Schicht im Schacht“ ist. Die Überlegung war, wie man das umgehen kann. Wie kann man den Gast dazu bringen, sich für etwas Neues zu öffnen? Und das ist einfach ein kleiner Drink.

Auf „Menü“ bin ich gekommen, weil ich selbst ein großer Fan von Menüs bin — denn ich esse sonst immer das Gleiche. Wenn ich aber ein Menü bestelle, esse ich ganz oft etwas, was ich mir sonst nie bestellt hätte. Jedes mal ist etwas Neues dabei und das ist total spannend und interessant. Mit unserer kleinen Vorauswahl kann man dem Gast ein bisschen die Entscheidung abnehmen, die „Qual der Wahl zu haben“.  Wir stellen ein kleines fünf gängiges Menü zusammen, immer mit dem „Chug des Tages“ und dazwischen gibt es ein kleines Bierchen als „Refresher“.

Es wird gut angenommen, die Leute haben Spaß daran.

 

9. Was war die beste Idee in deinem Leben?

Nach Hamburg zu gehen, weil ich diese Stadt liebe und sich dadurch alles entwickelt hat. Du kannst in Hamburg so viel erleben, einerseits diese Natur, das viele Wasser und andererseits kann man vieles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen. Ich bin nämlich ein faules Mädchen und mag, wenn Dinge eng beieinander liegen.

 

10. Heute mal richtig faul sein – was fällt dir spontan dazu ein?

Sauna — am besten den ganzen Tag, mit Massage und dann ins Bett. Das ist ein perfekter Tag.

 

11. Nenne mir bitte spontan drei bis fünf Begriffe die dir zu deiner Bar einfallen?

Zuhause, kuschelig, ein bisschen verrucht, Genuss, Freude und ganz viel Liebe.

 

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12. Was ist der größte Kompromiss zwischen Geld verdienen und Selbstverwirklichung?

Ich denke, dass das durchaus vereinbar ist; man muss Entscheidungen treffen. Wenn man etwas sucht, das man mit einem guten Konzept und viel Herzblut füllt, kann man durchaus damit Geld verdienen. Ich glaube da wirklich daran. Ich mach da im Moment wenig Kompromisse.

Ich arbeite zwar 18 Stunden am Tag, aber das mach ich aus Liebe.

 

13. Bei einer Skala von 1-10 wie geht es dir heute??

Gerade geht es mir 9, weil ich ein wenig müde bin. Aber gleich, wenn ich geduscht und die Lippen wieder rot bemalt sind, dann komm ich auf die 10. Ich bin einfach glücklich.

 

14. Hast du noch Zeit für deine Freunde/Familie?

Wenig, im Moment, weil ich ja in meiner geliebten Bar bin. Natürlich gibt es ein paar Freunde die mich ab und zu mal hier rausholen. Dann gehts ans Falkensteiner Ufer oder irgendwo ans Wasser, das ist auch wichtig.

 

15. Dein momentaner Lieblingscoktail ist…?

„Die Rita“, der Tequila- Cocktail mit Hibiskus-Orangen-Tequila und der Salzschaumhaube mit Glitzerzucker als Topping


Quickreport:

1.süss oder salzig? salzig

2. morgens oder abends? ich liebe den morgen

3. mehr ist mehr oder weniger ist mehr? weniger ist mehr

4. lieber allein oder am liebsten mit vielen? kommt auf die vielen an

5. auto oder fahrrad? fahrrad

6. sekt oder selters? crémant!

7. berge oder meer? berge

8. electro oder pop? beides

9. bleistift oder kugelschreiber? kugelschreiber

10. rom oder hongkong? rom

 

…Danke für dein Mitmachen – und dass du uns teilhaben lässt.


found // by cris

Betty 🙂 von Betty hört man einfach…über viele Ecken….und die Meisten die ich kenne, kennen sie irgendwie auch – man kennt sie einfach. Ich habe sie das erste mal im „Le Leon“ gesehen. Auch wenn das schon Jahre her ist, haben wir erst vor kurzem richtig gesprochen…

Ich würde unsere Zusammentreffen als intensiv und offen bezeichnen und ich habe dabei das Gefühl, wir kennen uns schon ewig. Sie ist das was ich eine Vollblut – Barfrau nenne- noch etwas „Wien“ in ihrer vollen Stimme, nicht verlegen mit Worten, aber immer gewählt im Ausdruck. Sie ist alles andere als eine der vielen „ich- mach – jetzt mal – ne – Bar – auf – Frau“, bei Betty geht alles nach Konzept. Kein Teil, kein Glas, kein Drink ist nicht liebevoll ausgesucht oder von ihr kreiert worden – Betty überlässt nichts dem Zufall. „Man muss Menschen mögen“ hat sie zu mir gesagt, wenn man eine Bar betreibt- und das tut sie, wenn sie mit ihren roten Lippen, stolz und freudig nachts von Tisch zu Tisch geht, um ihre Gäste zu begrüssen. Ich bin eigentlich kein echter Cocktail oder gar Tequila Fan- auch Rot an der Wand war mir zu viel 80er… Aber Betty begeistert mich und viele – sie ist und will das eben so!

Betty und ihr „The Chug Club“ — Das ist ein wenig wie ins Kino gehen… Hinsetzen, die Bilder auf sich wirken lassen und hinterher berauscht und fröhlich nach Hause gehen.

Chug Baby-Chug,

tendaysaweek


TEAM//

klaus-nather-fotografien

photo // by klaus norris nather, www.klausnather.de

norris //  Norris liebt die Nähe zum Wasser – Weil es beruhigt und gleichzeitig Sehnsüchte nährt? Vielleicht ist diese Vielschichtigkeit das Geheimnis seiner Bilder. Aber das behält er wohl für sich. Egal, was den Zauber seiner Fotos ausmacht: Wir dürfen sie sehen, genießen und die Geschichten dahinter sehen – tendaysaweek.


interview & art direction // by cris, www.designbycris.de

cris // Sie arbeitet, lebt und kreiert tendaysaweek. Man kann sagen sie ist immer in Bewegung. Alles kann immer noch schöner, noch spannender aussehen. Deswegen ist sie bei dem, was sie macht, auch mit so großer Leidenschaft dabei. Cris ist Art Director mit Leib und Seele — tendaysaweek.


 interview & edit // by carsten kukla, www.teckst.de

carsten //  Egal, ob er eine Kindergeschichte für die SESAMSTRASSE oder den KiKa oder eine Love Story für einen Fernsehfilm oder eine Telenovela erzählt: Das Wichtigste daran sind für Carsten die Personen, die diese Geschichten erleben. Die sind für ihn auch das Spannendste an unserem Blog. Darum ist er dabei. Denn Hamburg wimmelt von spannenden Menschen, die etwas zu erzählen haben, das viele hören und lesen sollten — tendaysaweek.


 


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