Jan Müller-Wiefel & Jürgen Nerger

interview by // cris, photo by // andreas weiss // jan & jürgen // Haptisch sollte es sein; Kopf & Herz inspirieren; unabhängig aber ernstgemeint; etwas, das es wert ist, an der Wand zu hängen: Das ist der Anspruch an alles, was Jan und Jürgen tagtäglich umgibt. Weil das ja etwas viel auf einmal ist, haben sie einfach mehrere Orte dafür geschaffen: Eine Galerie, einen Independent-Magazinshop, einen Verlag, eine Agentur — und dem Ganzen den Namen „Gudberg Nerger“verpasst … 

Den Meisten würde bei diesen vielen Aufgaben wahrscheinlich jetzt schon die Luft ausgehen, doch wie sie so schön selbst sagen: „Da ist noch viel Luft nach Oben“. 

Wenn zwei die gleiche Sprache sprechen, versteht man sich einfach leichter. Nur so kann wohl aus eins plus eins eben auch mal acht werden.

 

Jan und Jürgen sind zusammen einfach richtig gut — mit sich, mit dem Leben und bei den Projekten, die sie gemeinsam ins Leben rufen. Eine „Partnerschaft deluxe“  — tendaysaweek.


» hamburg // mai 2017

 

1. Besondere Menschen, besonderes Schaffen, besondere Orte; das ist, womit wir uns in unserem Blog auseinandersetzen. Was treibt euch an, hier morgens durch die Tür zu gehen?

jürgen // Es ist ein Ort, an dem ich mich wahnsinnig gerne aufhalte und zudem einer Arbeit nachgehen kann, die unglaublich vielseitig ist. Da ist einfach immer etwas dabei, was richtig viel Spaß macht. Und natürlich, dass Jan und ich uns hier treffen. Ich habe einfach nicht das Gefühl nur zur „Arbeit“ zu kommen, hier steckt viel mehr dahinter — es ist für uns ein Lebensraum. Es ist die Atmosphäre, die mir dabei wichtig ist, unabhängig von dem Projekt das wir machen. Wer einmal in einem schlimmen Funktionsbüro gearbeitet hat, weiß was ich damit meine.

jan // Hier steckt viel gemeinsame Leidenschaft drin, die ich wahrscheinlich auch so ausleben würde, wenn es nicht mein Beruf wäre. Wir haben hier wirklich eine derartige Abwechslung drin, das alleine ist schon Antrieb genug. Man hat einfach keine Chance in eine gelangweilte Routineschleife hineinzukommen. Wir haben uns gerade durch die Galerie und den Magazinshop ein Arbeitsumfeld geschaffen, das davon lebt in ständigen Wechsel und Austausch zu sein. Mit jeder wechselnden Ausstellung sieht alleine der Raum komplett anders aus. Ich bin manchmal regelrecht überrascht, wieviel Inspiration da täglich darauf wartet gesehen zu werden.

 

2. Hinter Gudberg Nerger verbergen sich ein Designstudio, eine Filmagentur, eine Galerie für zeitgenössische Kunst und ein Laden für Independent Magazine — das alles unter dem Begriff Think Tank… klingt nach einem verdammt großen Schiff das über Wasser gehalten werden muss… wie kann man den all dem gerecht werden?

jürgen // Sicher, man könnte sich das Leben leichter machen, aber worauf sollte man verzichten? Es ist eine Synergie, in der das Eine zwangsläufig aus dem Anderen entstanden ist. Natürlich haben wir das Ganze in Profitcenter eingeteilt und wissen, was jeder Bereich bringt oder nicht. Aber vom Spaß Faktor ist alles gleich wichtig.

jan // Es ist schwer möglich das Ganze nur aus dem Profitgedanken heraus zu beurteilen. Natürlich werfen der Verlag und der Magazinshop weniger ab als die Agentur. Hätten wir nur eins davon, könnten wir beide überhaupt nicht davon existieren. Diese Orte sind für uns wichtige Kommunikationskanäle, Inspirationsquelle und Ort für Begegnungen. Und diese Art von Aufmerksamkeit hätten wir nicht, würden wir nicht immer wieder etwas publizieren oder eine Ausstellung machen.

jürgen // Ohne die „showrooms“ wären wir sicher auch nicht zu einer Marke geworden. Wir sind aber auch von unserem Wesen so gestrickt, dass wir einfach machen und im Zweifel fallen wir eben damit auf die Schnauze. Für viele Projekte oder Dinge die wir tun gibt es einfach auch keine Vorbilder oder Konkurrenz woran man sich orientieren könnte. Wir haben uns das hier einfach auf den Leib zugeschnitten und das ist mit Höhen und Tiefen verbunden. Zum Glück denken wir in vielen Bereichen ähnlich und es gibt ein großes Maß an Vertrauen. Jeder schätzt den anderen und auch, wenn wir ursprünglich aus unterschiedlichen Bereichen gekommen sind, also ich mehr Bewegtbild und Jan mehr Editorial, ist unsere Stärke sicher, dass wir dies nun miteinander kombinieren können! Ich sehe es als großes Glück, dass sich unsere beiden Lebenswege gekreuzt haben,

 

3. Das ist ja im Grunde dein Baby Jan, bzw. es war es deine Innovation zu einem Designstudio noch Verlag und Galerie zu gründen — Ist es nicht schwer, wenn da auf einmal jemand mitredet?

jan // Ich war da sowas von bereit zu und ich bin mega dankbar für diese Partnerschaft! Ich habe einfach gemerkt, dass ich für mich alleine nicht in das „next Level“ gekommen wäre. Wir beide haben zusammen viel mehr Luft nach oben.

jürgen // Wir haben unsere Sachen zusammen geschmissen und losgelegt, ohne irgendwelche Eitelkeiten oder Aufrechnerei. Wir haben auch keinen Businessplan gemacht oder so einen Blödsinn, wir waren einfach bereit, jeder auf seine Art. Jan hat es eben schon gesagt: wir wollten beide das nächste Level und stehen dabei gemeinsam erst am Anfang. Die Performance wird jedes Jahr verdoppelt und das Ganze hat eine komplett andere Dynamik im Vergleich zu dem, wie wir vorher gearbeitet haben. Auch da hatten wir sicher gut zu tun, aber die Frustrationsrate war viel höher. Man hatte immer „man müsste mal — aber man kann nicht“ gefühlt. Aus unserer Begegnung wurde aus eins und eins nicht zwei, sondern acht. Dadurch, dass wir die gleiche Geschwindigkeit im Denken haben, die gleichen Auffassungen von Ästhetik und überhaupt in vielen Punkten deckungsgleich sind, schaffen wir dieses Tempo. Wir halten uns im daily Business auch nicht mit unnötige Diskussionen und Abstimmungen auf. Das Ganze ist eben auf most benefit nicht most profit ausgelegt.

 

4. Ihr arbeitet und begeistert euch für die gleichen Dinge — was wäre denn eine ungeteilte Leidenschaft?

jürgen // Das kann ich so gar nicht sagen. Wir begeistern uns tatsächlich für das Gleiche. Wir warten beide jedes Jahr auf den Abstieg des HSV. Wir gehen beide leidenschaftlich gerne Essen und kosten gemeinsame Mittagspause gerne ausgiebig gemeinsam aus. Schließlich ist man schon mehr als genug Arbeitsmaschine. No input, no output. Zuweilen sollte man am Leben auch teilhaben, wenn man sich eine Meinung zum selbigen erlauben will.

Also, mir fällt tatsächlich nichts ein was, nicht gemeinsam funktionieren würde. Ich habe einfach grenzenloses Vertrauen zu Jan und ich würde ihm jederzeit jeden Schlüssel und jedes Passwort anvertrauen. Das entspannt ungemein.

jan // Wir haben uns einfach in der gemeinsamen Zeit, gut und weit angenähert. Auch wenn wir uns vorher nicht kannten ist aus der Businesspartnerschaft auch eine Freundschaft entstanden.

 

5. Seine Vision leben und damit erfolgreich zu sein ist nicht selbstverständlich und euch beiden scheinbar gelungen — habt ihr keine Angst vorm Scheitern?

jürgen // Wer keine Angst hat, hat auch keine Phantasie. Wer nie Geldsorgen hatte weiß auch nicht was es heißt, sich den Hintern aufzureißen, um es zu verdienen. Es gibt Phasen da machen auch wir uns durchaus mal in die Hose, aber es gibt auch Phasen, wo man nachts aufwacht und sein Glück nicht fassen kann.

jan // Ich bin früher sicher viel unbedarfter an Dinge rangegangen. Das hat aber ganz klar etwas damit zu tun, dass ich damals noch keine Familie zu ernähren hatte. Nun müssen wir bei allem, was wir tun, eben auch davon von Leben können.

jürgen // Wir haben zusammen sechs Kinder, das muss man sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Angst vor dem Scheitern ist nicht nur finanzieller Natur. Wir sind beide von Anerkennung abhängig. Ich mag und brauche das, dass jemand begeistert davon ist, was man tut. Erfolg ist ein ganzheitliches Konstrukt und Angst gehört dazu und ist manchmal auch ein wichtiger Motor. Grundsätzlich habe ich aber eher das Gefühl, dass wir beide alles gewuppt bekommen und uns gegenseitig die Zweifel nehmen. Wenn wir beiden nicht daran glauben, lassen wir einfach die Finger davon.
„Nein sagen“ ist etwas, woran man durchaus wachsen kann.

jan // Man darf sich einfach von der Angst nicht bestimmen lassen. Wir scheitern immer wieder im kleinen und die Angst, dass da nichts mehr nachkommt ist zwar da, aber da muss man sich lockermachen.

 

6. Dem Netz gehört die Zukunft und Print wird immer wieder totgesagt — ihr hingegen schafft einen Raum für independent Magazine. Ist das Rebellion oder neuer Zeitgeist?

jürgen // Print und digital sind grundsätzlich keine Parallelwelten, sondern sie müssen sich neu definieren. Das ist wie in der Musik – das ist ein Markt der sich verändert und da bleibt ganz viel oder viele auf der Strecke und Neues entsteht. Das eine bedingt eben das andere und die Synergien sind spannend. Grundsätzlich wird Gedrucktes nie retro sein — solange man Finger hat, die etwas spüren wollen.

 

7. Spielte bei euch schon in der Familie Kreativität oder Kunst eine Rolle?

jan // Mir wurde durch meine Eltern schon immer viel kreativer Spielraum gelassen und wir waren kulturell viel unterwegs. Mein Vater ist nicht überdurchschnittlich kreativ, er ist Mediziner, aber meine Mutter hat durchaus ein gutes Verständnis für Ästhetik. Sie ist sehr gut darin Atmosphäre in Räumen zu schaffen. Das hat mich sicher mit geprägt.

jürgen // Ich bin in der Nähe von Bielefeld großgeworden und ich war in meiner Familie eher der Freak. Kreative Förderung gehörte da nicht zum Programm. Dennoch würde ich sagen, dass es als Kind gut ist auf dem Land groß zu werden. Ich musste mit 16 da raus und meine Motivation war, das kleine Enge zu verlassen und zu tauschen für etwas „Großes“. Das ging natürlich nicht konfliktfrei, aber ohne Druck bewegt man sich eben auch nicht.

Das mag ein wenig esoterisch klingen, aber ich habe schon immer an mein Schicksal geglaubt und das lässt sich meiner Meinung nach nicht planen, es ergibt sich.

 

 

8. Viele Verpflichtungen, viele Projekte… gibt es da nicht auch mal Momente, in denen man Lust hätte abzuhauen?

jan // Ich kann gut gedanklich abschalten und bedingt durch die Familie heißt es am Wochenende auch komplett raus zu sein. Ich freue mich aber auf jeden Montag um wieder hier zu sein — dieses Zwischenspiel ist total geil.

jürgen // Ich bin sogar richtig stolz darauf, dass wir es trotz ordentlichem workload schaffen die Bude um 18.00 Uhr zu zumachen. Jan schickt mir abends um 22.00 Uhr auch mal eine Mail und natürlich bekommt er sofort eine Antwort, aber wir übertreiben es einfach nicht. Gedanklich ist man tendaysaweek dabei, aber es gibt nicht die Last ständig arbeiten zu müssen. Ich hatte das ja alles mal anders, eine Agentur mit 60 Mitarbeitern hieß viel Verantwortung und das macht unfrei in jeglicher Hinsicht.

 

9. Heute mal richtig faul sein: Wie sieht das aus?

jan // Ich bin bei schönem Wetter gerne mit der Familie an der Elbe. Ich bin aber auch selten alleine, wenn die Kids im Bett sind, hänge ich gerne mit meiner Frau ab 😉

jürgen // Ich kann ja nicht auf einem Stuhl sitzen und die Decke anstarren — ich zieh mir dann eher Serien rein. Gerne auch gleich 2-3 Episoden hintereinander. Ich hänge aber auch gerne mal in einer Kneipe ab, sich einfach an eine Theke setzen und ein Bier bestellen. So habe ich schon die abstrusesten Geschichten erlebt. Oder ich fahre mit dem Auto ziellos in der Gegend rum. Das ging ja alles lange Jahre nicht, aber meine Kinder sind inzwischen schon groß.

 

10. Was ist bei euch im Kühlschrank?

jürgen // Ich habe vor zwei Jahren meine Ernährung umgestellt, versuche kein weißes Mehl und Zuckermehr zu essen. In meinem Kühlschrank ist so gut wie nichts mehr, Ziegenkäse, Bier, Eier, die kann ich auch in jeder Form essen. Auf dem Kühlschrank sind Tomaten und Avocado. Wenn ich koche kaufe ich gerne frisch ein und wenn ich es mir aussuchen könnte esse ich am liebsten mittags. Ich liebe ausgiebig Mittagessen – das ist einfach herrlich.

jan // Ich liebe es auf dem Markt zu gehen, einzukaufen und daher ist der Kühlschrank reich bestückt. Gutes Fleisch oder Fisch, ich mag Fleisch und achte sehr darauf, dass es gut ist. Wir vernichten Unmengen an Milch, Gemüse, Joghurt, unterschiedlichen Marmeladen, Eier, Käse, guter Leberwurst, Bier und einen schönen Grauburgunder.

 

22. Auf einer Skala von 1-10: Wie geht es Dir heute?

jan //… der Blick richtet sich auf Jürgen: wie geht es mir???

jürgen // eher so eine 6

jan // sehe ich auch so 😉

 

Danke für Euer Mitmachen – und das Ihr uns teilhaben lässt.


Quickreport:

jan / jürgen

1.süß oder salzig? salzig/ salzig

2. morgens oder abends? abends/abends

3. mehr ist mehr oder weniger ist mehr? weniger ist mehr / mehr ist mehr

4. lieber allein oder am liebsten mit vielen?

5. auto oder fahrrad? auto/auto

6. sekt oder selters? sekt/sekt

7. berge oder meer? berge/meer (meine grösste Sehnsucht)

8. electro oder pop? electro/electro

9. bleistift oder kugelschreiber? bleistift / bleistift

10. rom oder hongkong? hongkong / hongkong (beides so überlagert)

 

 


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