Dani Schulz

interview by cris // Vegane, sportaktive Friseurin, Mutter zweier Kinder, die 3 mal die Woche Yoga macht: Das Bild, das sich da im Kopf aufbaut, kann man getrost vergessen, wenn man Dani begegnet, sie kennenlernt oder einen Termin in ihren „kleinen Salon“ hat…

dani schulz/tendaysaweek

1.„ We love what we do“ ist die Überschrift unseres Blogs – und wir sprechen Menschen an, bei denen wir das von außen betrachtet so sehen. Erzähl uns, was den Reiz und die Liebe ausmacht, die dich jeden Morgen zur Arbeit trägt.

Das war nicht von Anfang an so, es hat sich entwickelt. Als ich angefangen habe, als Teenie, war es nur ein Job. Meine Freundin war Friseurin und ich dachte nur: Das mache ich auch. Mir war gar nicht bewusst, dass ich das so lieben könnte.

Außerdem liebe ich mein Arbeitsfeld, wie es hier ist und ich es mir geschaffen habe: Eine 1:1, ich alleine mit dem Kunden, kein grosser Salon mit Anmeldung und mehreren Angestellten, wo jeder einzelne Arbeitsschritt von unterschiedlichen Personen gemacht wird. Hier mache ich alles, bin nahe am Menschen dran.

Mir geht es gar nicht so um die Haarschnitte. Ich liebe das Handwerk, aber es ist mittlerweile so ein „Bei-Ding“ geworden. Mir geht es eher darum, zu wissen oder daran zu arbeiten, dass jemand gelöst ist, wenn er oder sie hier rausgeht und das Gefühl auch mitnimmt . Also auch persönlich wahrgenommen wird und nicht nur der Haare wegen. Das Handwerkliche ist mir natürlich auch wichtig; dass der Kunde sich mit seinem Haarschnitt „zuhause“ fühlt. Es stimmt alles, holt ihn in seiner Stimmung oder seinem Empfinden, seinem Typ, ab. Es passt zusammen, ist oder wird authentisch und wird hier auch so wahrgenommen. Das macht einfach großen Spaß.

 

2. Was hat dich inspiriert, Haare schneiden zu deinem Beruf zu machen, wie kam es dazu?

Ich mache das jetzt seit ich 16 bin. Ich komme aus dem „Osten“, aus Rostock und da war das damals „der“ Beruf. Handwerker waren angesehen, man war jung und hatte Geld in der Tasche und jeder verdiente das Gleiche.

In Rostock habe ich dann meine Lehre begonnen, aber nach 3 Monaten entschied ich mich für Hamburg. Hier habe ich auch relativ schnell eine Lehrstelle bekommen. Hier war es aber eine komplett neue Situation, der Beruf hat hier einen ganz anderen Stellenwert. „Öhhhh, Friseuse :-(“, das  war natürlich komisch, ich war ja erst 17. Ich habe meine Ausbildung hier zu Ende gemacht, aber es gab Jahre des Zweifels. Ich wollte irgendwie mehr.

Ich habe mein Abitur nachgeholt und hatte auch einen super-guten Abschluss, aber die Frage, was ich damit anfange oder welches Studium mich interessieren könnte, konnte ich mir selbst nicht beantworten. Ich fand irgendwie nichts, woran ich meine Herz verlieren konnte. Also erstmal zurück zum Haare schneiden. Dass ich das konnte wusste ich ja.

Ich bin zu einer Frau mit in den Laden eingestiegen, mehr als Mittel zum Zweck. Aber sie war es, die meine Liebe zu diesem Handwerk geweckt hat. Sie hatte eine derartige Leidenschaft für diesen Beruf, und auf einmal brannte ich auch dafür. Wie haben dann zusammen einen Laden am Hafen geschmissen. Ich habe meinen Meister gemacht und so was wie eine Blitzkarriere hingelegt. Ich bin da sprichwörtlich „eingetaucht“.

Das ging lange gut: Wir wuchsen, hatten Angestellte, waren erfolgreich. Aber nach 10 Jahren merkte ich, ich muss da weg. Es war alles zu vermischt, ich wusste gar nicht mehr, was wirklich meins ist.

Ich habe mir deshalb erstmal einen Stuhl gemietet, in einem anderen Laden von Freunden. Dort konnte ich autonomer arbeiten, konnte machen, was ich wollte und bin viel auf Reisen gegangen.

Aus „Arbeiten & Feiern“ wurde „Reisen & Arbeiten“.

Dann kam die Zeit der Familienplanung, und mit dem zweiten Kind ist dann hier diese Wohnung zufällig frei geworden. Der Verwalter hatte nichts dagegen, dass ich von hier aus arbeite. Ich mag diese Ecke, das ist mein Zuhause, das Leben am Wohlerspark. Hier fühle ich mich total ‚rund‘.

Ich hatte ja genug Stammkunden und wusste, dass es quasi egal ist, wo ich arbeite. Ich könnte auch im Pferdestall arbeiten: Sie kommen einfach.

Also wurde die Wohnung angemietet, auf den einen Stuhl ein Spiegel gestellt, ein anderer zum Haarschneiden davor und man musste sich sogar noch in der Dusche die Haare waschen ;-).

Das war alles schon ziemlich witzig. Und von diesem Moment an nie stressig, das Baby konnte einfach mit dabei sein. Ich habe zwischendrin gestillt und die Kunden haben ihn im Maxicosi geschaukelt, wenn ich die Haare gemacht habe. Oder das Baby war oben und ich mit Babyfon unten. Alles war entspannt und passte auch gut in die Nachbarschaft. Termine wurde schon mal spontan am offenen Fenster vergeben.

Es wuchs und ich habe angefangen, mir Gedanken über diese Räume zu machen und nach und nach alles selbst geplant und eingerichtet. Natürlich alles mit einem Minibudget; das hast du halt, bei so einer work-life-balance-Geschichte. Da kommt ja erstmal nicht so viel Geld bei rum, aber es reicht ja immer.

Mittlerweile sind es 5 Jahre und am Anfang dachte ich, dass ich ein wenig schrullig werden könnte, wenn ich so alleine arbeite. Aber dieses 1:1-Arbeiten ist einfach genau meine Ding. Also auch alles alleine zu machen: Tönen, Waschen, jeden handwerklichen Schritt. Ich habe auch gemerkt, dass das für meine Kunden besser ist. Ich kann viel mehr von ihnen verstehen und sie da abholen, wo sie sind, wenn ich sie kenne. Das ist mein Anspruch: Sie sollen sich einfach schöner fühlen, sie selbst sein und gerne hierherkommen.

Was gibt es Besseres? Ich merke es an mir selbst: Ich bin nie gestresst ;-).

 

3. „Friseuse“ ist ja zu einem dieser Unworte geworden. Es gibt viele neue Begriffe, die diesen Beruf aufzuwerten versuchen. Wie würdest du deinen Beruf bezeichnen?

Mir ist das völlig egal, wie das jemand sagt oder benennt. Ich habe einfach eine Handwerkerseele und seh mich nicht so als Künstlerin. Ich bin auch völlig fein mit dem Begriff „Friseuse“. Ich lieb’ das Handwerk und das Haare Schneiden einfach. Jede Stunde strahlt dich jemand an und sagt: „Danke, bis zum nächsten Mal!“

Ich meine, was will man denn mehr?

Man baut schon irgendwie eine Beziehung zu seinen Kunden auf, und wenn sich jemand entscheidet, nicht mehr zu kommen, habe ich natürlich auch Zweifel und hinterfrage das auch: Habe ich was falsch gemacht oder falsch verstanden? War ich nicht gut genug? Aber in der Regel habe ich zu jedem eine Idee und viele kommen schon jahrelang hierher.

 

4. Was macht das Handwerk Friseur denn für dich aus, wann macht man deinen Job richtig gut? 

Das sagen einem die Kunden. Entweder kommen sie wieder oder nicht.
Man arbeitet an Menschen. Zu jedem Topf gibt es den passenden Deckel.

Ich fühle da keine Konkurrenz.

dani schulz/tendaysaweek

 

5. Ich kenne Einige, die sich nach ihren Friseurbesuch erstmal die Haare waschen müssen und dann wochenlang ihr Spiegelbild ignorieren, bis sie sich wieder mit sich wohlfühlen – was läuft da schief?

Es gibt tatsächlich dieses Phänomen, wenn Haarschnitte neu sind. Es ist, als würde sich das Haar ‚erschrecken‘ und es braucht etwas Zeit, bis alles wieder zusammen passt. Manchmal zwei Wochen. Zumindest ist das meine Erfahrung. Aber wenn der Schnitt gut ist, sitzt es dann.

Aber natürlich, wenn ich jemanden nicht kenne, kann es mir auch passieren, dass ich noch nicht das richtige Händchen oder die Sensibilität für denjenigen habe. Dann steht er eben nach der zweiten Haarwäsche wieder bei mir und es wird korrigiert. Man kann nicht immer sofort in jemanden hineinschauen. Es gibt so viele Faktoren. Auch der Hormonhaushalt bestimmt, wie das Haar liegt. Da muss man einfach offen sein, der Friseur und auch der Kunde. Die Kunden die hierherkommen wissen das und schätzen das auch.

 

6. Was war die beste Idee in deinem Leben?

Nicht zu studieren, mich zu fokussieren und dem Beruf hinzugeben. Ich habe ja Verschiedenes ausprobiert: Fernsehen, Modenschauen, Haare & Make-up, Styling-Blog, großer Salon. Aber dieses Handwerk kann mir keiner nehmen, das kann ich bis ins hohe Alter machen.

Ich habe schon in Sydney auf der Dachterrasse Haare geschnitten, in Griechenland am Strand… Überall, wo ich war. Ich brauche nur Schere und Kamm, vielleicht eine kleine Maschine und ich kann loslegen. Das ist ein Gefühl von Freiheit und Ungebundenheit, das ich sehr schätze.

Und auch dem Karrierewahn den Rücken zu kehren.

 

7. Heute mal richtig faul sein – was fällt dir spontan dazu ein?

Faul sein? Irgendwas mit Sport, oder ans Meer fahren; aber tatsächlich habe ich gar nicht den Wunsch, wirklich faul zu sein. Ich muss immer irgendwie „rumpuddeln“, ich liebe das.

 

8. Innere Ausgeglichenheit und Ruhe ist das, was du ausstrahlst. Wie schaffst du es trotz der Doppelbelastung von Beruf und Kindern, dich um deine innere Ruhe zu kümmern?

Sport! Sport! Ich laufe, ich schwimme, mache Yoga. Früher habe ich auch noch getanzt, das ist noch eine kleine Lücke, die gefüllt werden muss; das fehlt mir so ein bisschen. Vielleicht mache ich nächstes Jahr einen Pole-Dance-Kurs. (Sie lacht) Ich liebe es, mich zu bewegen.

Die Freiheit, mir dafür Zeitfeister einzurichten, musste ich mir natürlich in diesem Familiengefüge echt erarbeiten. In der Regel stehe ich um halb sechs/sechs auf und schreibe meine „Morning Pages“ (man schreibt morgens 3 Seiten, das ist wie so eine ‚Gehirntoilette‘, du lässt einfach alles raus. Du schreibst es nur und liest es nicht und schmeißt es dann auch weg).

Dann meditiere ich und erst dann kommt die Familie. Und die Familie weiß und akzeptiert das, auch wenn sie mal zwischendrin nachfragen „Wie viel Seiten musst du noch schreiben? Musst du noch meditieren?“ Aber das stört mich nicht. Das fing mit 3 Minuten an, mittlerweile sind es 20, aber dafür stehe ich ja auch früh auf. Ich liiiiiebe den Morgen, wenn das alles so frisch und friedlich ist.

Das war nicht immer so in meinen Leben. Augen auf und für andere funktionieren ist einfach purer Stress. Meine kleine Auszeit ist voll akzeptiert und für alle gut. Danach wird geherzt, Kerzen an, Frühstück …

Dann jogge ich noch fast täglich vor der Arbeit und 2-3 mal die Woche mache ich abends Yoga. Eigentlich ist jeden Tag Sport mit dabei. Nicht viel, aber ich brauche diese Bewegung, dieses „Versenken“. Wenn ich das täglich habe, wenn auch nur kurz, das ist meine Balance.

dani schulz/tendaysaweek

 

9. Nenne mir bitte spontan 3-5 Begriffe, die dir zu deinem Job einfallen?

Ich bin nicht so wirklich spontan … Kreativität, Liebe, Beziehung, Handwerk …

 

10. Du treibst viel Sport: Yoga, Surfen, du reist gerne, ein Mal im Jahr „schweigen“. Du veränderst immer mal wieder deine Lebenssituation. Bist du ein „Zeitgeist-Nomade“? Nie Stillstand?

Nee, lustiger Begriff! Ich bin eher so ein „Neo-Hippie-Geist“. Heute kann ich das auch leben. Früher habe ich mich immer an etwas drangehängt, es ausprobiert und bin weiter gezogen. Jetzt brauche ich das nicht mehr.

Freiheit, geistige Freiheit ist mir total wichtig, aber diese Veränderungen kommen aus mir heraus, ich hetze nicht mehr den Vorstellungen anderer hinterher. Die letzten 10 Jahre stand die Familie im Fokus. Aber das verändert sich ja auch mit dem Älterwerden der Kinder.

Ich bin keine „Spaghetti-Fischstäbchen-Mutti“, die ihr Leben für die Kinder total umstellt. Also, ich lebe schonmal vegan, der grosse Sohn vegetarisch, mein kleiner Sohn isst am liebsten Fleisch und meine Mann ist Flexitarier (sie lacht).

Man hat immer die Wahl und das möchte ich leben, auch mit meiner Familie.

 

11. Dein aktueller Lieblingssong?

Stoneghost: „The sound remains“.

Ich höre total gerne Metal, ich bin ja auch immer mit Kopfhörer unterwegs, da muss es unbedingt krachen, gerade weil mein Tag ja so durchstrukturiert ist. Das war auch jahrelang nicht so, aber in den letzten 2 Jahren liebe ich das.

 

12. Auf einer Skala von 1-10: wie geht es dir heute?

8, eigentlich geht es mir gut…

 


 

Quickreport:

1.süss oder salzig? salzig

2. morgens oder abends? morgens

3. mehr ist mehr oder weniger ist mehr? weniger ist mehr

4. lieber allein oder am liebsten mit vielen? zusammen alleine sein

5. auto oder fahrrad? fahrrad

6. sekt oder selters? bier 

7. berge oder Meer? meer

8. electro oder pop? metal

9. bleistift oder kugelschreiber? pinsel!

10. rom oder hongkong? rom

 

…Danke für dein Mitmachen- und dass du uns teilhaben lässt.

 


found // by klaus norris

So richtig rekonstruieren können Dani und ich unser Kennenlernen nicht mehr, wir sagen „irgendwo im Nachtleben“. Ich war neu in der Stadt und hatte wie Cris bisher Friseur- und Zahnarztbesuche gleichgesetzt. Ihr „komm doch einfach mal vorbei, zum Schneiden“ hat meine Sicht auf die Zeit im Stuhl komplett verändert. Das ist nun 16 Jahre her. Die Orte haben gewechselt, vom Salon zum Bungalow, schwanger in ihrer Küche bis hin zu dem Raum im Erdgeschoss. Das ist eine lange Zeit und unser Austausch auch eine Art von Fortsetzungsroman. Wenn meine Besuche auch selten sind, das liegt eindeutig an ihrer Kunst, ist die nächste Staffel schon klar geplant. Eine angenehme Kontinuität in meinem Leben. Danke, Dani.


text // by cris

dani // Vegane, sportaktive Friseurin, Mutter zweier Kinder, die 3 mal die Woche Yoga macht: Das Bild, dass sich da im Kopf aufbaut, kann man getrost vergessen, wenn man Dani begegnet und sie kennenlernt. Sie ist in meinen Augen eine schöne Frau: Sie ist nicht nur attraktiv, sie strahlt und wirkt freudig und zufrieden. Kein bisschen das, was die typische „Yogi-Vegan-Sport-Wahnsinnige“ sonst so ausstrahlt. Sie wirkt ruhig, hat aber was zu sagen, und das aus Überzeugung.

Zum Friseur zu gehen ist für mich ja eine der Herausforderungen des Alltags. Ich möchte auch nicht aussehen wie Pumuckel, aber schon beim Haare waschen möchte ich am liebsten den Laden verlassen. Ich mag Kopfmassage nicht von jedem. Ich kann mich auch nicht entspannen, wenn mir ein fremder Mensch mit Gummihandschuhen auf meinem Kopf rumdrückt. Alles im Allem fühlt es sich für mich ähnlich ausgeliefert an wie beim Zahnarzt. Bei beiden weiß ich nicht, ob ich eine Narkose brauche, um diesen „Eingriff“ ohne Schmerzen durchzustehen. Kurzum: ich mag es nicht ;-(

Natürlich habe ich nicht gleich beim ersten Haare schneiden alles von Dani erfahren, was ich am Anfang beschrieben habe. Dani hat eine gewisse Zurückhaltung. Dennoch ist sie offen und lustig und mich hat einfach total interessiert, was sie so erzählt hat. Mir gefällt die 1:1-Situation genauso wie ihr und wahrscheinlich hat sie einfach recht: Es muss sich einfach gut anfühlen. Und das hat es. Da passt der Deckel zum Topf. Außerdem habe ich jetzt die Haare schön 😉 — tendaysaweek


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