Uwe Schindwolf

interview by cris // photo// norris nather // St. Georg 22:30 Uhr, das ist so im Großen und Ganzen die Uhrzeit mit der man sich mit Uwe am besten verabreden kann, weil er bis dahin entweder in seiner Praxis, auf dem Brett, bei der Buchhaltung, auf Hausbesuchen oder gerade mit dem Bike auf dem Weg hin und her ist. 

photo// norris nather

 

1. „We love what we do“ ist die Überschrift unseres Blogs – und wir sprechen Menschen an, bei denen wir das mit dem Blick von außen so sehen. Erzähl uns, was den Reiz und die Liebe ausmacht, die dich jeden Morgen zur Arbeit trägt.

Der Anreiz ist das Neue – weil Menschen immer anders sind. Auch wenn ich sie lange kenne, bringen sie jedes Mal wieder etwas Neues mit. Das macht die Arbeit spannend und interessant. Genauso ist es beim Paddeln, weil die Alster auch jeden Tag anders ist – wer das nicht kennt, glaubt es nicht. Wind und Wetter verändern die Farben, das Wasser, das Licht… das macht es spannend. Die Neugier auf das Heute…und das irgendwie Anders. Die Facette macht den Reiz aus.

 

2. Was war der entscheidende Moment zu sagen: „Ich mach mich selbstständig…Ich mach das jetzt“?

So einen Moment gab es einfach nicht – die Selbständigkeit ist über mich gekommen; ich wollte formen, nicht funktionieren. Ich muss dem, was ich tue, meinen Stempel aufdrücken. Ich wollte Stufe für Stufe für mich entdecken, wo ich hin will: was kann ich, was ist neu – das sind Dinge, die passen oder nicht passen. Das sollte von mir selbst entschieden sein.

Ich habe zu Anfang ein Anerkennungs-Praktikum gemacht und habe ziemlich schnell die Praxis als Geschäftsführer übernommen. Eine kassenärztliche Praxis, die mir wenig Entfaltungsmöglichkeit gab — dann fing ich an zu gestalten…

Frage: Das heißt?

Ich bin mehrere Stufen durchlaufen. Was ist die richtige Methode, wie viel Zeit brauche ich? Klar war für mich: Was ich will, ist in 15 Minuten kassenärztlicher Behandlung schwierig unterzubringen; Dann bin ich auf mobile Massage gekommen, damals ein neuer Markt. Ich wollte mich nicht anpassen, ich wollte, dass die Arbeit zu mir passt. Also bin ich zu den Patienten gegangen, die mussten nicht, wie gewohnt, zum Therapeuten kommen. Das war damals neu. Ich bin mit meinem mobilen Behandlungstisch zu Firmen, Events, Messen und Privatpersonen gegangen.

Frage : Event?

Firmen und Events haben die Verpflichtung ihre Mitarbeiter gesund zu erhalten, das ist eine gesetzliche Vorgabe. Durch das lange Arbeiten am Computer ist der Masseur zum Beispiel dafür verantwortlich, den Rücken wieder „gerade zu biegen“. Das ist jetzt sehr flapsig ausgedrückt. Aber bei Events und Messen massieren wir die Teams – für die ist die Arbeit dort kein einfacher acht Stunden Tag. Einer der größten Kunden in diesem Bereich ist Salomon. Da kommen circa 100 Menschen pro Messe zusammen. Wir gehen da nicht nur zum Massieren hin, da kommen wir auch zur Teambildung— eben für den guten Spirit.

Oder andere körperliche Belastungen, wie beispielsweise bei Events und Festivals, wo wir Bauchladen-Verkäufer massieren. Die betreut man dann über mehrere Jahre und lernt sie gut kennen und verstehen. Für das Team wird man zur festen Größe; man freut sich, sich wieder zu sehen.

 

3. Seit wann ist das Thema Massage von Bedeutung in deinem Leben? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Wenn ich mal ein bisschen ausholen darf…? Nach meinem Schulabschluss konnte ich zwischen zwei Ausbildungsplätzen wählen: Forstwirt und Energie- und Anlageelektroniker. Gefühlt hätte ich das Erste machen wollen. Dann würde ich wahrscheinlich immer noch Bäume umarmen. (Uwe grinst) Gefühlt hätte ich dabei bleiben können.

Frage: Warum hast du das nicht gemacht?

Eigentlich wollte ich Tontechniker werden. Ich hab’ keinen großen Lebensplan. Ich wurde damals natürlich manipuliert; ich war 16 und alle haben mir geraten einen Beruf auszuüben, der Sicherheit gibt. Der Berufswunsch Tontechniker war Teil eines pubertären Entwicklungsprozesses. Mit Beginn der Ausbildung verflog aber dieser Wunsch. Windsurfen wurde immer wichtiger und damit die Idee nach Hamburg zu gehen. Schlussendlich hat alles mit Energie zu tun — auch die Massage.

Das Entscheidende war der Zivildienst. Ich musste 20 Monate „Höchststrafe ableisten“: Ich habe im Altersheim gearbeitet, wo die Pflegesituation extrem schlecht war. Da musste ein Zivi dann schon mal eben eine Pflegestation leiten.

Dort gab es eine 86-jährige Bewohnerin mit nur einem Zahn. Sie ließ sich am liebsten mit Franzbranntwein einreiben — und zwar von mir.

Die ausgebrannten Pfleger/innen waren wenig motiviert, das Einreiben mit der nötigen Hingabe zu betreiben. Also schallte abends häufig über den Flur: „UUUUUWE!!!!!!“ – mit ganz langem „U“! Und da stand sie dann, mit dem halb-ausgezogenem Bademantel und der Franzbranntweinflasche. ;-)))

Ich habe dann gemerkt, dass ich wohl ein gewisses Händchen dafür habe.

 

 

photo//norris nather

 

 

4. Wie war dein Vorgehen, Ausbildung oder eher autodidaktisch?

Eigentlich hatte ich von Massage keine Ahnung. Ich habe aber gemerkt, ich will mit Menschen arbeiten. Klar war – ich wollte lieber therapeutisch arbeiten, nicht nur unzureichende Pflege übernehmen. Ich habe mir verschiedene therapeutische Berufsbilder angesehen, mich überall beworben und bin dann einfach in Hamburg von einer staatlichen Massage-Schule angenommen worden. Bis dahin war mir das Berufsfeld fremd.

Ich bin ohne Vorbehalt in die Ausbildung rein. Da saßen Menschen, die überzeugt waren, heilende Hände zu haben. (;-)) Ich habe mir daraufhin ganz rational meine Hände angeschaut – ich dachte „Scheiße, ich bin hier verkehrt!“ – und mich gefragt, ob ich auch glaube, heilende Hände zu haben. Aber ich bin dann ganz unbedarft da rangegangen und habe einfach alles aufgesogen. Darüber fand ich dann für mich das Richtige, was ich heute noch mit Leidenschaft tue. Dazu gehört auch der Ansatz von meinem wertgeschätzten Lehrer Gerd Radloff: „Befundorientiertes Arbeiten“. Verschiedene Techniken werden individuell auf den Menschen, auf die Struktur seines Gewebes, angewendet. Es wird „gespürt“: Bindegewebe, Faszien, Muskeln, Bänder, Sehnen … Und je nach Zustand behandelt.

Der Mensch ist eben nicht digital: Man kann nicht alle Individuen über einen Kamm scheren – man kann nie 1:1 sagen, wie man behandelt.

Heute muss ich oft grinsen, wenn mir gesagt wird, dass ich „heilende Hände“ habe.

 

5. Was tust du heute dafür, dir deine anfängliche Euphorie bei der Arbeit/deinem Tun zu erhalten?? Was ist dir dabei wichtig??

Kontinuierliches Arbeiten und trotzdem offen für Neues sein, Neues entdecken und ausprobieren; das Bewährte aber beibehalten und die Mitarbeiter und Patienten dahin mitnehmen!

Es gibt Menschen die immer wieder kommen und das ist toll. Problemerkennung, Problemlösung, auch mit Leuten die man schon lange kennt. Zum Teil seit 15 Jahren, aber auch da gibt es immer wieder Neues; ein langer Weg des zusammen Gehens.

Einige erkennen auch den präventiven Charakter dieser Behandlungsmethode.

Ich arbeite eng mit einem Orthopäden zusammen, meine Praxis ist unter seiner. Dadurch behandle ich, oder besser gesagt mein Team (es sind acht Mitarbeiter), natürlich hauptsächlich akute Patienten. Die sind dann neu. Bei denen muss man erstmal fühlen und begreifen, was das Gewebe will und dann entscheiden, welche Methode die Richtige ist.

 

6. Was war die beste Idee in deinem Leben?

Nach Hamburg zu kommen und das Dorf zu verlassen, das ich liebe. Ich bin der letzte in Mauer (Anmerkung: ein kleines Dorf in der Kurpfalz) Geborene. (Uwe lacht wieder) Das war für meine Entwicklung die beste Entscheidung. Ich wollte in der Nähe von Nord und Ostsee sein, um optimale Bedingungen zu haben, jederzeit windsurfen zu können. Alles andere war mir damals nicht klar: Neuland! Für Süddeutsche liegt Hamburg am Meer. (Uwe lacht)

 

7. Wie weit lebst du diese Idee, oder deinen Traum?

Na gut… ich bin schließlich seit 27 Jahren hier!

 

8. Heute mal richtig faul sein – was fällt dir spontan dazu ein??

Im Cafe sitzen — Alster, Elbe, Kanal — irgendwo am Wasser und Zeitung lesen.

 

9. Was ist der grösste Kompromiss zwischen Geld verdienen und Selbstverwirklichung?

Man wird in diesem Beruf häufig nur als Dienstleister wahrgenommen und muss die Menschen, mit denen man arbeitet, von der Ernsthaftigkeit, mit der man seine Arbeit betreibt, stark überzeugen. Man muss Kompromisse eingehen, manchmal seine Grenzen ziehen. Das ist nicht leicht. Ich meine, die Leute kommen mit einer Idee ihrer Behandlungsmethode zu uns und oft entspricht das nicht immer dem, wie ich meine Arbeit verstehe und wie ich behandeln möchte – da ist dann doch Geld nicht so wichtig. Dann passt es eben nicht.

 

10. Bei einer Skala von 1-10 wie geht es dir heute??

8,52 😉

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11. Wie bist du darauf gekommen das Stand-Up-Paddling mit Massage zu kombinieren – was ist die Idee dabei???

Ich fand SUP früher extrem langweilig, schließlich habe ich jahrelang Windsurfing gemacht. Das wurde immer extremer und ich konnte es aus beruflichen Gründen nur noch eingeschränkt machen. Neben der Arbeit blieb wenig Zeit für meinen Sport. Nach einem kurzen Blick aufs Wetter spontan loszuziehen ging auch mit der Familie nicht mehr. Ich hatte dann später eine Bänder-Verletzung im Sprunggelenk, wollte aber weiterhin Wassersport treiben. SUP bot sich da trotz aller Vorbehalte an; das Gefühl, mit dem Element Wasser verbunden zu sein, aber ohne diese extreme Abhängigkeit von Wind und Wetter. Durch das SUP entdeckte ich die Alster vor der Tür völlig neu!

Ich habe mich immer intensiver mit dem SUP beschäftigt, einiges ausprobiert und gemerkt, dass die Bewegung auf dem Wasser überhaupt nicht langweilig ist; man ist da, wo das Windsurfing mal angefangen hat. Die Bedingungen sind zweitrangig, man ist in ständiger Bewegung, aber in Balance mit den Elementen. Außerdem habe ich festgestellt, dass mein Sprunggelenk gut stabilisiert wurde! Und das mit so viel Spaß und Freude.

Ich habe dann die Paddel-Technik ausgearbeitet und perfektioniert– mit diesen laaaaanngen Bewegungen und diesen diagonalen Körperspannungen in der Bewegung. Da gibt es eine enorme Behandlungsspanne und Therapiemöglichkeit für meine Patienten.

Inzwischen sind es nicht nur sportliche Menschen, sondern häufig die älteren, für die Sport bisher keine große Rolle spielte, bei denen die Balance auf den Brett auch das Leben auf dem Land ins Gleichgewicht bringt. (Uwe freut sich sichtlich über diesen Aspekt)


Quickreport:

1.süss oder salzig? salzig

2. morgens oder abends? abends

3. mehr ist mehr oder weniger ist mehr? weniger ist häufig mehr.

4. lieber allein oder am liebsten mit vielen? 1/1

5. auto oder fahrrad? fahrrad

6. sekt oder selters?sekt

7. berge oder meer? puhhhh

8. electro oder pop? ?

9. bleistift oder kugelschreiber? bleistift

10. rom oder hongkong? ROM!!!!!

 

…Danke für dein Mitmachen – und dass du uns teilhaben lässt.


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St. Georg 22:30 Uhr, das ist so im im groben und ganzen die Uhrzeit mit der man sich mit Uwe am besten verabreden kann, weil er bis dahin entweder in seiner Praxis, auf dem Brett, bei der Buchhaltung, auf Hausbesuchen oder gerade mit dem Bike auf dem Weg hin und her ist. 

Wir kennen uns jetzt schon seit etwas mehr als zwei Jahren, aber diese unglaubliche Energie und Freude wie er Dinge angeht begeistert mich immer wieder.

Ich mochte bevor ich ihn kennengelernt habe weder Massage, noch Wassersport… ich fand Massage so gar nicht entspannend und die Vorstellung auf so einem wackeligen Brett ”Nessi“ zu begegnen, verursachte bei mir doch eher Schweissausbrüche. Aber so ist es nun mal mit dem „Uwe“ — „alles ist gut, was man gerne tut“  und davon lässt man sich eben gerne mitreissen…

tendaysaweek


 


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