interview & text anne simone krüger // photo benne ochs // Hände aus Keramik, in ausdrucksstarken Gesten, Münder, die sich zum Kuss oder Schrei öffnen – Isabell Kamps Arbeiten sind Metaphern zwischenmenschlicher Kommunikation. In ihrer Perfektion faszinierend wohnt ihnen immer auch eine ambivalente Spannung inne. Denn sie erzählen nicht nur von sozialer Interaktion, sondern auch von deren Scheitern…
little art affair// anne meets isabell
Nachdem mir diese Arbeiten, seit ich sie das erste Mal auf einer Messe gesehen habe, nicht mehr aus dem Kopf gehen, stehe ich an einem Montagmorgen vor Isabells Ateliertür im Hinterhof eines Industriegebäudes in Hamburg-Bahrenfeld und warte verschlafen auf die Künstlerin, um mehr über den Menschen zu erfahren, der hinter diesen bewegenden Werken steht.
Ein Stein fällt mir vom Herzen, als Isabell genauso verschlafen mit dem Fahrrad um die Ecke biegt. Nach einer herzlichen Begrüßung verlassen wir den sonnenbeschienenen Hof und gehen durch den Ausstellungsraum des Atelierhauses in den ersten Stock, wo sie die Tür zu einem in Licht getauchten Raum öffnet. Während Isabell Kaffee macht, registriere ich die akkurat gebauten Holzkisten, in denen sie ihre fragilen Objekte verwahrt, die Arbeitsproben in verschiedenen Glasuren und eine ganze Wand voller Testversuche, wie sich ein menschliches Auge in Keramik fertigen lässt. Das Atelier verströmt Konzentration und Ruhe und bildet einen fokussierten Gegenpol zum lebendigen Wesen und dem warmen Humor der Künstlerin. Die schönsten Sonnenuntergänge Hamburgs könne man von hier sehen, erzählt mir Isabell. Und nachdem wir uns bei einem ersten Kaffee darüber austauschen, welche Ausstellungen wir in letzter Zeit besonders sehenswert fanden, sind wir beim zweiten Kaffee inzwischen beide so wach, dass wir mit dem Interview beginnen können.
1. Wie beginnst du deinen Arbeitstag?
Meistens mit einem Kaffee.
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2. Was inspiriert dich?
Missverständnisse. In dem Moment, in dem Missverständnisse passieren oder Dinge, die nicht klar sind, fängt man an, daran herumzudenken. Und versucht Lösungen zu finden oder mit dem anderen das Gespräch zu suchen und sich von diesen Missverständnissen zu befreien. Genau das finde ich die springenden Punkte. Denn manchmal lösen sich Sachen nicht. Manchmal kann man Dinge nicht aufklären. Deswegen sind Missverständnisse inspirierend. Weil sich das so festhakt. Und dann auch wehtut.
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3. Deine Initialzündung in Sachen Kunst?
Das war eine stetige Entwicklung. Vom Kindergartenalter an, wo man gelobt wird, dass man als erste aus der Gruppe erkennt, dass nur fünf Finger an einer Hand sind und nicht zehn bis zwanzig. Über Bücher, die ich im Jugendalter für mich illustriert habe und dann weiter über die Akademie bis heute. Es gibt da in diesem Sinne keine Initialzündung. Außer, dass ich, als es darum ging die Schule abzuschließen und eine Ausbildung anzufangen, gemerkt habe: wenn ich es jetzt nicht probiere, mit der Kunst, und an die Akademie gehe, dann werde ich es bereuen. Und dieses Gefühl war so stark, dass ich mich da über alle Dinge hinweggesetzte, wie „Um Gottes Willen Kind, mach doch keine Kunst, das kann nur schädlich sein oder es ist doch brotlos“. Diese ganzen Vorbehalte, die dann kommen, die musste ich in den Wind schlagen, um meinem inneren Gefühl, das regelrecht umsetzen zu müssen, folgen zu können.
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4. Der beste Rat, den dir je ein Künstler mit auf den Weg gegeben hat?
Entspann dich mal! Das kam allerdings von dem Galeristen Ralf Krüger von der Galerie Feinkunst Krüger. Einen richtigen Rat gab es sonst nicht. Irgendwie habe ich es immer geschafft, sehr auf meine Intuition zu hören und das hat sehr gut funktioniert.
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5. In deiner Kunst geht es viel um zwischenmenschliche Kommunikation – was macht sie für dich so faszinierend?
Da muss ich wieder auf die Missverständnisse zurückkommen. Weil manches einfach nicht auflösbar ist und man das dann stehen lassen muss. Und das tut manchmal wirklich weh. Das ärgert mich. Und da kommt dann vielleicht auch diese Entspannung wieder mit rein. Mittlerweile habe ich da viel gelernt oder bin vielleicht auch einfach älter und ruhiger geworden, kann es akzeptieren, dass sich nicht alles auflöst. Und akzeptiere das dann insofern mehr, als ich es für meine Kunst verwenden kann. Aber es gab Zeiten, in denen mich das extrem gefuchst hat, wenn etwas nicht aufzulösen war. Gerade, wenn etwa mit einer besten Freundin Streit entstanden ist und der nicht zu klären war, weil wir beide auf ganz verqueren Standpunkten standen.
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6. Was macht dich glücklich?
Wenn eine Arbeit gut gelungen ist und ich das Gefühl habe, das alles ineinandergreift. Also sowohl der Titel der Arbeit, als auch die Arbeit selbst, die Farbe, das Handwerk, die Intention – wenn wirklich alles ineinandergreift, wenn dieses holistische Prinzip auf einmal da ist.
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7. Und wovon bekommst du Albträume?
Es wird jetzt langweilig, wenn ich schon wieder Missverständnisse sage (lacht). Das ist eben das, was mich umtreibt. Das ist schon seit meiner Kindheit so, dass mich das beschäftigt und auch traurig macht. Ich hatte im zwischenmenschlichen Bereich unschöne Erfahrungen, es gab Dinge, die nicht aufgelöst wurden. Als ich klein war hat mich das sehr geprägt. Es hat mich wahnsinnig traurig gemacht – oder auch wahnsinnig wahnsinnig. Das ist vermutlich auch der Grund, warum ich da heute mit mehr Ironie und Humor drüberstehe. Weil ich merke, dass es zum Leben dazugehört.
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8. Wenn du auf einer einsamen Insel ausgesetzt würdest, welche drei Dinge müssten unbedingt mit?
Meine ganzen Schlafsachen, also mein Kissen etc. Weil ich unglaublich gerne schlafe. (Schmunzelt und wir müssen beide lachen, weil wir uns vor knapp einer Stunde beide noch in sehr verschlafenem Zustand befunden haben.) Schlafen beruhigt mich. Also beruhigen tut das ja jeden, aber trotzdem. Dann Filme, eine unendliche DVD-Bibliothek. Weil man das auch vom Bett aus machen kann. Und im besten Falle noch ein Partner, mit dem man ausleben kann, auf einer einsamen Insel zu sein.
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9. Was ist in deinem Kühlschrank?
Jetzt gerade ist da noch so eine Zartbitter-Kuvertüre von Weihnachten. OK, wir haben jetzt Sommer… (lacht). Übriggebliebene Sojasauce vom Sushi. Und noch ein bisschen Aufschnitt. Einkaufen gehen ist etwas, was ich bis zuletzt hinauszögere …
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10. Und zu guter Letzt: was macht dein Atelier besonders und für dich wichtig?
Die Ruhe. Auch wenn es außerhalb rumpelt oder wie gerade eben der Akkuschrauber von einem Kollegen zu hören ist, ist das mein ‚safer’ Ort. Der noch sicherer ist, oder fast noch privater als meine Wohnung. Weil ich so lange nach einer Wohnung gesucht habe und so lange rotiert bin. Ich war extrem unruhig in Bezug auf Wohnung und Verortung, so dass tatsächlich immer das Atelier der ‚save’ Ort und der zentrale Mittelpunkt, quasi das Auge des Sturms war. Das ist nach wie vor so geblieben. Auch in Bezug auf die Gemeinschaft, die hier herrscht. Wenn ich zum Beispiel die Türe offenlassen würde, käme immer mal jemand rum, oder ich würde raustreten und schauen, wo woanders die Türe offensteht. Dann können wir mal einen Kaffee trinken oder so etwas. Das ist ein sehr angenehmer Austausch. Und dann die Konzentration, die mit dieser Ruhe herrscht. Hier kann ich mich in meinen Flow hineinbegeben und einfach „sein“.
Danke für dein Mitmachen – und das du uns teilhaben lässt.
Quickreport:
1.süß oder salzig? herb
2. morgens oder abends? abends
3. mehr ist mehr oder weniger ist mehr? weniger ist mehr
4. lieber allein oder am liebsten mit vielen? allein
5. auto oder fahrrad? motorrad
6. sekt oder selters? whiskey
7. berge oder meer? meer
8. electro oder pop? klassik
9. bleistift oder kugelschreiber? bleistift
10. rom oder hongkong? glasgow
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